07. August 2025
Der Einsatz von KI könnte zu massiven Jobverlusten führen. Die Zeit, um politische Lösungen zu entwickeln, ist jetzt.
Humanoider Roboter serviert Getränke, Shanghai, 24. Juli 2025.
Die Angst geht um. Angst, dass durch KI zahlreiche Arbeitsplätze abgebaut werden könnten. Vor zehn Jahren wurde auf Hauspartys im Silicon Valley über ein universelles Grundeinkommen als Lösung für die bevorstehende Automatisierungswelle diskutiert. Vor einem Jahr begannen Informatiker, ihre Prognosen nicht nur im frei zugänglichen Archiv arXiv zu veröffentlichen, sondern auch auf elegant gestalteten Websites wie Situational Awareness (empfohlen von Ivanka Trump) und Gradual Disempowerment, gefolgt von AI 2027 (mit dem prominenten Leser J.D. Vance).
Seit einigen Monaten ist die Sorge um Arbeitsplätze nun endgültig im Mainstream angelangt – von Barack Obamas X-Feed über das Time-Magazin bis zur New York Times. Das Gefühl, sich auf einer Tech-Achterbahn zu befinden, die einen jeden Moment ins Ungewisse stürzen wird, führt nicht selten zu Reaktionen wie einer emotionalen Distanzierung oder dem Abtun der großspurigen Prognosen als reinen Hype. Natürlich ist es das Geschäftsmodell der Tech-Firmen, zu versprechen, dass mit ihren Produkten und der damit einhergehenden Streichung von Arbeitsplätzen Geld gespart werden kann. Sie sind darauf angewiesen, dass wir ihnen das glauben.
Es gibt aber auch andere Gegenreaktionen auf diese Ängste. Ein Artikel von Apple-Forschern, laut dem Large Language Models nicht wirklich denken können, ging viral. Er wurde als Beweis dafür angeführt, dass der Fortschritt ins Stocken geraten ist und die KI-Blase bald platzen dürfte. Eine weitere aktuelle Studie, die aufzeigt, dass Open-Source-Entwickler bei der Verwendung von KI-Tools langsamer arbeiteten als ohne, bestärkt die Ansicht, dass die Fortschrittsprognosen in Sachen KI übertrieben sein könnten.
Wir sind dennoch der Meinung, dass die Verdrängung von Arbeiterinnen und Arbeiter durch KI ein echtes Problem ist. Es ist ein Problem, das unsere Aufmerksamkeit jetzt erfordert – nicht in zehn Jahren oder in ferner Zukunft. KI stellt eine drohende Gefahr dar, aber auch eine politische Chance. Sie wird wahrscheinlich immer wieder ein wichtiges Thema in zukünftigen Wahlkämpfen sein. Die Linke muss mit politischen Vorschlägen darauf vorbereitet sein, diesem Problem entgegenzutreten.
Aktuell droht die Linke, diese politische Chance zu verspielen. Insbesondere zwei Tendenzen könnten dafür sorgen, dass keine angemessene Antwort auf den drohenden Arbeitsplatzverlust aufgrund von KI gefunden wird.
Eine davon ist der fragmentierte Widerstand gegen entstehende KI-Imperien. Es gibt zwar eine Vielzahl progressiver gemeinnütziger Organisationen und Wissenschaftler, die sich mit KI beschäftigen, aber die Themen, an denen sie arbeiten, sind vielfältig und oft isoliert voneinander. Viele arbeiten an ihnen wichtigen Themen wie Überwachung, KI-Sicherheit, algorithmischer Bias gegenüber marginalisierten Gruppen, Auswirkungen auf die Umwelt, kulturelle Verwahrlosung durch KI-Slop und schlechte Plattformen, Kreativität, existenzielle Risiken, Regulierung et cetera. Menschen, die sich mit KI-Politik befassen, kämpfen an mehreren Fronten – und einige werden von der Industrie finanziert und sind daher zu einem gewissen Grad von ihr vereinnahmt.
Die Zahl der Menschen, die sich explizit mit KI und Arbeit befassen, ist hingegen viel geringer. Gewerkschaften haben sich durchaus mit den Auswirkungen der KI auseinandergesetzt, sind aber gleichzeitig mit viel direkteren Kämpfen um Löhne und Arbeitsbedingungen, der Mobilisierung nicht gewerkschaftlich organisierter Arbeiter und Ähnlichem beschäftigt.
Der zweite Grund, warum die Linke die politische Chance beim Thema KI und Arbeit verpassen könnte, ist die komplizierte Beziehung, die viele Linke zu neuen Technologien haben. Es besteht eine weit verbreitete Tendenz, einzelne Technologien mit dem kapitalistischen System und den speziellen Machtverhältnissen, in denen sie entwickelt werden, zu vermischen. In diesem Sinne wird KI manchmal als ein absolut negatives Phänomen im Kontext kapitalistischer Gesellschaftsverhältnisse analysiert; als eine Reihe von Technologien, die von der herrschenden Klasse in ihrem eigenen Interesse eingesetzt werden, um menschliche Arbeit zu entwerten und zu ersetzen.
»Die aktuelle Dynamik innerhalb der Linken birgt die Gefahr, dass wir lediglich reaktiv auf den Verlust von Arbeitsplätzen reagieren, anstatt proaktiv politische Ideen zu entwickeln.«
Zwar gibt es eine Bewegung, die sich für die Gestaltung von KI-Technologie im öffentlichen Interesse einsetzt, doch diese ist meist auf akademische oder gewisse Polit-Kreise beschränkt. Im Gegensatz dazu sollte die Linke, wie Leigh Phillips schreibt, optimistisch sein, was den Einsatz von Technologie für emanzipatorische Zwecke angeht. Techno-Pessimismus führe bestenfalls dazu, dass man sich auf vage definierte Vorstellungen von »KI-Governance« konzentriert, anstatt darüber nachzudenken, wie man die Technologie tatsächlich sinnvoll nutzen kann. Das schränkt die Debatten darüber ein, wie KI die Datenverarbeitung demokratisieren oder auch neue Bildungsmöglichkeiten eröffnen könnte.
KI stellt darüber hinaus eine besondere Herausforderung dar, weil sie so unklar definiert ist: Da es keine klare Definition dafür gibt, was »künstliche Intelligenz« genau ist, wird das Wort schlicht zu einem Sammelbegriff für oligarchische Strukturen, Plattformkapitalismus, Überwachungsstaat – ganz viel fieses Zeug, das man als Linker ablehnt.
Kurz gesagt: Die aktuelle Dynamik innerhalb der Linken in Fragen zur KI-Politik birgt die Gefahr, dass wir lediglich reaktiv auf den Verlust von Arbeitsplätzen reagieren, anstatt proaktiv politische Ideen zu entwickeln. Man kann sich diverse politische Lösungen für diese Probleme vorstellen – von der Regulierung von KI als öffentliches Gut bis hin zu einem New-Deal-ähnlichen Arbeitsplatzprogramm. Hier wollen wir aber zunächst eine Bewertung der Debatte innerhalb der Linken anstellen. Die Frage in dieser Debatte ist meist, ob der durch KI verursachte Verlust von Arbeitsplätzen überhaupt ein Problem darstellt.
Bislang war die Zukunft der Arbeit mit KI eine Debatte, die hauptsächlich von Arbeitsökonomen geführt wurde. Die eine Seite ist dabei der Ansicht, dass KI zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten führen wird. Das Hauptargument für diese Position ist, dass dies buchstäblich das Geschäftsmodell der KI-Firmen ist: Unternehmen werden ihre Produkte einsetzen, um Arbeitskosten zu sparen.
Banken und Beratungsunternehmen haben diesbezüglich hohe Zahlen geschätzt: Goldman Sachs geht davon aus, dass weltweit 300 Millionen Vollzeitstellen und ein Viertel der derzeitigen Arbeit vollständig durch KI ersetzt werden könnten; Analysten von McKinsey prognostizieren, 30 Prozent der derzeit in den Vereinigten Staaten geleisteten Arbeitsstunden könnten automatisiert werden. (Diese Beratungsunternehmen sind übrigens ihrerseits anfällig für KI und bemühen sich intensiv um die Entwicklung eigener KI-Plattformen, auf denen »KI-Agenten« autonom gewisse mehrstufige Aufgaben ausführen.)
Doch die KI wird auch neue Arbeitsplätze schaffen, argumentieren Arbeitsökonomen auf der anderen Seite. Jobs sind Bündel aus diversen Aufgaben, und es sei unwahrscheinlich, dass KI-Tools alle diese Aufgaben ersetzen werden. Mehr als 60 Prozent der Arbeitsplätze im Jahr 2018 hatten Berufsbezeichnungen, die es 1940 noch nicht gab, heißt es in einer Studie des MIT-Ökonomen David Autor und seiner Kollegen. Es gebe viele »neue Tätigkeiten« mit neuen Berufsbezeichnungen, die neue Technologien erfordern (sei es die Drohnenpilotin oder der Textilchemiker), demografische Veränderungen widerspiegeln (Hypnotherapeutinnen, Sommeliers) und Gig-Work-Positionen umfassen (On-Demand-Shopping und Fahrdienste). KI wird demnach weitere neue Dinge hervorbringen, die wir uns noch nicht einmal vorstellen können; doch dabei werde sie die menschliche Arbeit ergänzen, nicht ersetzen.
Durch den technologischen Wandel wurden bereits alte Arbeitsplätze durch neue Arten von Arbeit ersetzt. Bleibt zu fragen, ob diese Erfahrung nun beruhigend ist oder nicht. Dabei sind zwei Punkte wichtig. Erstens gibt es nicht genügend Daten, um Aussagen darüber zu treffen, wie sich die Dinge »stets entwickeln werden«. Es gab bereits die großen Übergänge von der Agrarwirtschaft zur Industrieproduktion und dann zur Dienstleistungswirtschaft, aber das sind eben lediglich zwei Fallbeispiele. Zweitens sollten diese früheren Übergänge kein zwangsläufiger Grund zur Beruhigung sein, da sie noch nicht abgeschlossen sind und ihre Auswirkungen noch nachwirken. In den USA beispielsweise ist die Politik nach wie vor durch das Versagen des Staates geprägt, diese Übergänge adäquat zu steuern.
Einige Ökonomen vertreten eine differenziertere Position. Sie warnen vor allem, dass Technologieunternehmer »Innovationsrenten« beanspruchen werden. So schreiben Anton Korinek und Joseph Stiglitz: »Wir Ökonomen setzen uns ein zu einfaches Ziel, wenn wir nur sagen, dass technologischer Fortschritt allen Menschen mehr Wohlstand bringen kann – wir müssen auch sagen, wie wir dies erreichen können.« Die Ungleichheit nehme zu, weil Innovationstreiber einen Überschuss erzielen. Solange die Märkte für Innovationen nicht vollständig offen sind, wird dieser Überschuss die Kosten der Innovation übersteigen. Darüber hinaus beeinflussen Innovationen die Marktpreise und verändern die Nachfrage nach Faktoren wie Arbeit und Kapital: »KI könnte die Löhne in vielen Bereichen senken und zu einer Umverteilung zugunsten der Unternehmerseite führen«, so die entsprechende Schlussfolgerung von Korinek und Stiglitz.
Eine explizit marxistische Analyse der Technologie ist hier hilfreich. Karl Marx betonte, im Kapitalismus werde Technologie nicht entwickelt, um die Gesellschaft besser zu machen oder »die Tagesmühe zu erleichtern«, sondern um Mehrwert oder Profit für das Kapital zu erzeugen. Daher wird das Kapital Technologie nur dann einsetzen, wenn diese Aufgaben billiger ausführen kann als die billigste verfügbare menschliche Arbeitskraft. (Marx merkte selbst an, das Kapital würde lieber Frauen als billige Arbeitskräfte einstellen, statt Maschinen anzuschaffen, wenn die Kosten dafür »unter aller Berechnung« wären.)
Aus dieser Sichtweise sollte klar sein, dass das Kapital ein starkes Interesse daran hat, kostenintensive Arbeit in Fachberufen zu automatisieren – genau die Arbeitsformen, die offenbar am anfälligsten für Disruption durch KI sind. Allerdings hängt die Kalkulation für das Kapital weiterhin davon ab, ob KI-Tools zu geringeren Kosten als die menschliche Arbeitskraft genutzt werden können. Derzeit bemühen die KI-Unternehmen sich, Tools zu besonders niedrigen Preisen anzubieten, um Nutzer zu binden, bevor die Kosten dann erhöht werden können. Tatsächlich gibt es ernsthafte Zweifel hinsichtlich der Rentabilität oder »Geschäftsmodelle« im weiteren Sinne: Diese Unternehmen erzielen kaum angemessene Einnahmen. Einige Kritiker sagen bereits eine »Subprime-KI-Krise« voraus, die sich auf die gesamte Technologiebranche auswirken könnte, weil diverse Unternehmen ihre Produkte auf unrentablen Modellen aufgebaut hätten.
»KI könnte tatsächlich das Herzstück einer wichtigen Quelle kapitalistischer Stabilität treffen – nämlich relativ gut dastehende Arbeiterinnen und Arbeiter der Mittelschicht.«
Für Kapitalisten, die menschliche Arbeitskräfte ersetzen wollen, werden die Kosten für KI eine wichtige Rolle dabei spielen, wie weit die Automatisierung voranschreitet. Angesichts von Marx’ Logik könnte man meinen, die Linke wäre alarmiert darüber, wie Kapitalisten diese neue Technologie nutzen (werden), um sich auf Kosten der Arbeiter zu bereichern. Was ist unsere Arbeitskraft noch wert, wenn sie umgehend ersetzt werden kann?
Marx argumentierte eindringlich, dass im Kapitalismus das Hauptprodukt eines raschen technologischen Wandels das Entstehen einer »Reservearmee« von verarmten Arbeitslosen ist, die durch die Technologie ihre Jobs verloren haben. Die Armut und das Elend dieser »überschüssigen« Bevölkerungsgruppen – auch wenn sie nur vorübergehend sind – könnten zu einer politisch nutzbaren Kraft werden, um die Forderungen und die Macht der noch beschäftigten Arbeitskräfte im Zaum zu halten.
Marx und Marxisten haben aufgezeigt, wie sich dies seit der industriellen Revolution auf verschiedene Arten von manueller Arbeit ausgewirkt hat. Die Aussicht auf eine Automatisierung »geistiger« oder »kognitiver« Arbeit könnte nun einen ähnlichen Prozess der »Proletarisierung« der »Professional Managerial Class« oder zumindest Teilen davon in Gang setzen. Selbst wenn diese Angestellten letztendlich in neue Berufsfelder wechseln sollten, verläuft der Übergang nicht immer reibungslos und kann politische Instabilität mit sich bringen. (Es war beispielsweise zu beobachten, wie deindustrialisierte Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit im US-amerikanischen Rust Belt zuletzt deutlich für Donald Trump gestimmt haben).
Tatsächlich wurde das Fortbestehen einer »Mittelschicht« zwischen Arbeit und Kapital lange Zeit als Widerlegung von Marx’ Vorhersage einer zunehmenden Klassenpolarisierung zwischen einer kleinen Gruppe kapitalistischer Eigentümer und einer zunehmend »entqualifizierten« Masse von Proletariern angesehen. Unabhängig davon, was Marx vorhergesagt hat oder nicht: KI könnte tatsächlich das Herzstück einer wichtigen Quelle kapitalistischer Stabilität seit über einem Jahrhundert treffen – nämlich relativ gut dastehende Arbeiterinnen und Arbeiter der Mittelschicht, die angemessene Löhne und eine gewisse Autonomie bei ihrer Arbeit genießen und deren Interessen daher (meist) mit denen des Kapitals übereinstimmen.
Darüber hinaus könnte, wie David Autor argumentiert hat, das KI-basierte De-Skilling dazu führen, dass gebildete Fachkräfte sich aufgrund ihrer Qualifikationen kaum noch Vorteile auf dem Arbeitsmarkt verschaffen können. Das könnte die Polarisierung zwischen diesen hochqualifizierten Angestellten und ihren Niedriglohn-Kollegen in prekären Dienstleistungs- und manuellen Berufen verringern.
Mehr noch: Eine plötzliche Zunahme der Prekarität für große Teile der qualifizierten und gebildeten Arbeiterschaft könnte tatsächlich die Solidarität zwischen diesen Personen und der breiteren Arbeiterklasse stärken. Ein hohes Gehalt mag eine Person vermeintlich vor den schlimmsten Auswüchsen des Kapitalismus schützen, doch sind die meisten Fachkräfte letztlich wie alle anderen Angestellten auch auf ihren Lohn angewiesen, um zu überleben. Mit anderen Worten: Sie sind Arbeiter und sollten sich auch als solche verstehen.
Die Linke neigt häufig dazu, zu bezweifeln, dass KI zu massiven Arbeitsplatzverlusten führen wird. Damit läuft sie Gefahr, die Chance zu verpassen, eine solche breite Solidarität unter den Arbeitern aufzubauen. Dieses Zweifeln rührt zum Teil von einer verständlichen Skepsis gegenüber dem Hype der Unternehmen. Einer der schärfsten KI-Kritiker ist der Soziologe Antonio Casilli, der in seinem Buch Waiting for Robots: The Hired Hands of Automation erklärt: »Entgegen der visionären Versprechen großer Technologieunternehmen und Startups hält die KI immer weniger, als sie verspricht: Den Verbrauchern werden autonome Fahrzeuge versprochen, und sie erhalten assistiertes Fahren; ihnen wird Entscheidungssoftware versprochen, und sie erhalten ein Dropdown-Menü mit Optionen; ihnen wird ein Roboterarzt versprochen, und sie erhalten eine Suchmaschine für medizinische Fragen.«
Casilli argumentiert, wir sollten uns vielmehr auf »digitale Arbeit« konzentrieren, insbesondere auf die Arbeit, die in das Anlernen/Füttern der KI sowie Labeln von Daten fließt. Dabei zeige sich nämlich, dass menschliche Arbeitskräfte faktisch durch andere Menschen ersetzt werden. »Unsere Arbeit ist nicht dabei, überflüssig zu werden, sondern sie wird aus dem Blickfeld der Bürger, Beobachter und Politiker verdrängt und versteckt, die ihrerseits nur allzu gewillt sind, sich dem Storytelling der Plattformkapitalisten anzuschließen«, schreibt er. (Ergänzend seien hier Madhumita Murgias Code Dependent sowie Feeding the Machine von James Muldoon et al. erwähnt, die sich ebenfalls mit prekär beschäftigten, niedrig bezahlten Digitalarbeitern befassen.) In einigen Fällen wird digitale Plattformarbeit tatsächlich nur in der von Casilli beschriebenen Weise verlagert. Dennoch kommt es auch zu Jobverlusten; dies ist keine Entweder-Oder-Frage.
Eine weitere linke Analyse zum drohenden Arbeitsplatzverlust durch KI kommt von Aaron Benanav, der in seinem 2020 erschienenen Buch Automatisierung und die Zukunft der Arbeit erklärt, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen mit dem Rückgang des Wirtschaftswachstums verlangsamt wird und dass ebendiese Entwicklung (und nicht der technologisch bedingte Verlust von Arbeitsplätzen) die globale Nachfrage nach Arbeitskräften in den vergangenen fünfzig Jahren gedrückt hat. Die bedeutendste Entwicklung sei demnach die ökonomische Stagnation aufgrund von Deindustrialisierung. In einem kürzlich erschienenen New York Times-Kommentar stellt Benanav fest, dass die Produktivitätsgewinne durch generative KI begrenzt sind; dass schwer vorstellbar ist, wie sie zu umfassenden Verbesserungen bei grundlegenden Dienstleistungen führen können; und dass sich die Fortschritte der KI offenbar bereits verlangsamen.
Wir stimmen einigen dieser Punkte zu – vor allem, dass die wirtschaftliche Stagnation als ein umfassenderes Grundproblem verstanden und angegangen werden muss –, aber es wäre ein Fehler, die Fortschritte der KI zu leugnen, nur weil Kapitalisten ihre Produkte immer hochjubeln oder weil sie die Errungenschaften noch nicht monetarisieren konnten. Darüber hinaus hat sich die Rentabilität des Kapitalismus trotz der allgemeinen ökonomischen Stagnation (insbesondere für die Arbeiterklasse) seit der Wirtschaftskrise der 1970er Jahre erheblich erholt, und einige der profitabelsten Unternehmen investieren heute massiv in KI.
Peer-reviewte Studien zeigen, dass KI den Menschen bei vielen medizinischen Aufgaben übertrifft, effektive Psychotherapie leisten und Gedichte schreiben kann, die beliebter sind als die von Menschen verfassten. Es ist gut möglich, dass sich die aktuelle KI-Welle von früheren Erfahrungen und Hype-Zyklen unterscheidet. Darüber hinaus legt der unerbittliche und historisch belegte Drang des Kapitals, jegliche Arbeit zu automatisieren – bisher am dramatischsten in der Landwirtschaft und im verarbeitenden Gewerbe – nahe, dass auch »Dienstleistungsarbeit« und/oder »geistige Arbeit« nicht für immer immun gegen Automatisierung bleiben wird.
Bei der Frage: »Ist Arbeitsplatzverlust durch KI eine drohende Katastrophe oder viel heiße Luft um Nichts?«, führt uns die Tendenz von Social-Media-Plattformen, Diskussionen in polarisierende Schwarz-Weiß-Debatten zu verzerren, in die Irre. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte: Die Disruption durch KI wird nicht die allermeisten Arbeitsplätze vernichten, aber sie wird dennoch erhebliche Auswirkungen haben. Und: Wie beim Klimawandel ist auch ein solches Mittelweg-Szenario nach wie vor äußerst disruptiv, insbesondere in Verbindung mit anderen sozialen und ökologischen Trends.
Wir sind der Ansicht, dass es sich hier um ein akutes Problem handelt, das umgehend angegangen werden muss. Es gibt noch keine eindeutigen Belege dafür, dass Menschen massenhaft von KI verdrängt werden; doch es gibt zahlreiche Warnsignale. Unternehmen wie Shopify versenden Memos, in denen sie ankündigen, »AI first«-Unternehmen werden zu wollen, in denen Projektleiter begründen müssen, warum einzelne Angestellte nicht durch KI ersetzt werden können. Marc Benioff, CEO von Salesforce – dem größten privatwirtschaftlichen Arbeitgeber in San Francisco – teilt mit, KI erledige mittlerweile 30 bis 50 Prozent der Arbeit im Unternehmen. Und Jim Farley, der Chef von Ford Motors, erklärte kürzlich: »Künstliche Intelligenz wird buchstäblich die Hälfte aller Angestellten in den USA ersetzen.«
Besondere Sorge muss dabei Berufseinsteigern gelten. Die Financial Times berichtet, dass Absolventen derzeit nur sieben Prozent der Neueinstellungen in den fünfzehn größten Technologieunternehmen ausmachen. Die Zahl der Neueinstellungen sei im Vergleich zu 2023 um ein Viertel zurückgegangen. Anthropic-Chef Dario Amodei sorgte für Aufsehen mit seiner Prognose, KI könnte in den kommenden ein bis fünf Jahren die Hälfte aller Einstiegsjobs für Angestellte vernichten und zu einer Arbeitslosenquote von 10 bis 20 Prozent führen.
Auch hier gibt es Gegenargumente. Der Economist schreibt, die »Job-Apokalypse« liege noch in weiter Ferne. Tatsächlich sei der Anteil der Bürojobs am Gesamtarbeitsmarkt leicht gestiegen, die Arbeitslosigkeit niedrig und das Lohnwachstum nach wie vor stark. Dies deute darauf hin, dass Unternehmen noch nicht sonderlich viel KI in ihre Arbeitsabläufe integriert hätten. Die Zeitschrift berichtet weiter über frustrierte CEOs, die Geld für KI ausgegeben haben, ohne nutzbare Ergebnisse zu sehen, oder darüber, wie Unternehmen wie Alphabet und Meta riesige Mittel in die Technologie stecken, ohne Renditen zu erzielen. Es gibt also noch keine lückenlosen Belege, dass es bereits jetzt zu großen Umwälzungen kommt.
»Wenn besser bezahlte Arbeitsplätze wegfallen, könnten sich die Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft ausbreiten und auch Effekte auf Beschäftigte im Dienstleistungssektor haben.«
Dennoch ist es ein Problem, das unsere Aufmerksamkeit erfordert. Es gilt, jetzt Antworten zu finden, bevor die Auswirkungen voll zum Tragen kommen. Dafür gibt es drei Gründe: Erstens ist KI bereits heute so weit fortgeschritten, dass sie Arbeitsplätze verdrängen kann, selbst wenn der technologische KI-Fortschritt derzeit nicht mehr im gleichen Tempo zunehmen mag wie zuvor. Wenn es Unternehmen gelingt, Agent-KIs verstärkt in ihre Arbeitsabläufe zu integrieren, wird die Disruption noch deutlicher zu spüren sein.
Zweitens könnte die in den sozialen Medien verbreitete Meinung über KI und Arbeitsplätze von empirischen Realitäten über den »Verlust von Arbeitsplätzen durch KI« abweichen. Die dahinterstehenden politischen Kräfte und Entwicklungen dürfen aber nicht vernachlässigt oder ignoriert werden. Man denke beispielsweise an die Diskrepanz zwischen SARS-CoV-2 (den wissenschaftlich nachweisbaren Erreger) und »COVID« oder »Corona« als gesellschaftlichen Begriff, mit dem die Pandemie in den sozialen Medien von verschiedenen politischen Lagern besetzt wurde. Anders gesagt: Der Begriff »Arbeitsplatzverlust durch KI« kann ein politischer Spielball sein, der schon vor und unabhängig von konkreten Auswirkungen eine Reaktion erfordert.
Drittens braucht es Zeit, um fundierte Konzepte sowie politische Macht aufzubauen, um der Jobverlagerung entgegenzuwirken. Die Planung muss jetzt beginnen, schon bevor es mehr Belege dafür gibt, dass diese Verdrängung menschlicher Arbeitskraft in großem Umfang geschieht.
Die Sorge über KI bietet eine einzigartige Gelegenheit, unsere Politik insgesamt neu auszurichten und die Linke wiederzubeleben. Allerdings gibt es dabei eine Reihe von Fallstricken. Der erste besteht darin, dass wir die Gefahr eines durch KI verursachten Arbeitsplatzverlusts als reine Panikmache abtun und damit die Chance verpassen, bei der Suche nach Lösungen eine Führungsrolle zu übernehmen.
Der zweite Fallstrick besteht darin, dass wir es der Rechten überlassen, das Thema zu nutzen, um Klassenkonflikte zu verschärfen, ihre Basis zu mobilisieren und öffentliche Institutionen weiter zu schwächen. Die Bemerkung des US-Finanzministers Scott Bessent, dass entlassene Bundesbeamte ja »die Arbeitskräfte liefern könnten, die wir für die neue Industrieproduktion brauchen«, sowie die Attacken auf Universitäten haben in den USA bereits zu Diskussionen über einen »MAGA-Maoismus« geführt – eine Bewegung, die ökonomische Opfer, eine starke Führungsfigur, eine zentralisierte Wirtschaft und nostalgische Visionen der industriellen Produktion verherrliche. Man kann sich vorstellen, wie aus ihren Jobs verdrängte Wissensarbeiter verspottet werden könnten: Warum hast Du überhaupt studiert; warum hast Du Geld und Zeit verschwendet? Die Rechte wird gegen ein »Raushauen« dieser Arbeitnehmer und ihre dummen Entscheidungen polemisieren.
Darüber hinaus ist die Vorstellung, der Verlust von Arbeitsplätzen durch KI betreffe nur Büroangestellte, ein Irrglaube. KI wird auch zahlreiche Niedriglohnjobs in einer Vielzahl von Branchen verdrängen. Und wenn besser bezahlte Arbeitsplätze wegfallen, könnten sich die Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft ausbreiten und beispielsweise Effekte auf Beschäftigte im Dienstleistungssektor haben. Gleichzeitig muss allerdings darüber nachgedacht werden, wie öffentliche Unterstützung für Ex-Büroangestellte von Menschen aufgenommen wird, deren industriegeprägte Gemeinden in den vergangenen Jahrzehnten durch Outsourcing und Automatisierung zerstört wurden und für die die Politik wenig getan hat. Jede Diskussion über Unterstützung und Arbeitsplätze muss diese Geschichte berücksichtigen. Es muss darauf geachtet werden, dass konkrete Ausgestaltung sowie die politischen Botschaften die Solidarität zwischen allen Arten von Arbeiterinnen und Arbeitern fördern.
Die dritte Gefahr besteht darin, dass die Rechte die Führung übernimmt und sich mit einer »klaren Kante gegenüber KI« profilieren kann. Sie könnte populistische Ressentiments in eine Politik und Rhetorik kanalisieren, die sich auf die gesellschaftlich-sozialen Dimensionen konzentriert und dabei die wirtschaftlichen Implikationen ignoriert. Die Aufmerksamkeit würde dann gelenkt auf Diskurse über den Schutz von Kindern vor Deepfakes oder Angst vor Romanzen mit »KI-Partnern«, die menschliche sexuelle Begegnungen ersetzen und die Geburtenrate senken. Dies würde auf Kosten von Debatten über Machtstrukturen oder Ökonomie gehen. J.D. Vance hat bereits deutlich gemacht, dass seine »größte Sorge in Bezug auf KI nicht die Obsoleszenz ist, auch nicht, dass Menschen massenhaft ihre Arbeitsplätze verlieren«. Er sei viel besorgter darüber, dass »Millionen amerikanischer Teenager mit Chatbots sprechen, die nicht ihr Bestes wollen«. Das ist die rechte Blaupause für Debatten über dieses Thema.
Wenn wir diese Fallstricke vermeiden und einen Diskurs und eine Strategie entwickeln, um das Thema der KI-bedingten Verlagerung von Arbeitsplätzen mit mutigen und rigorosen Analysen einiger der oben angesprochenen Themen anzugehen, besteht eine Chance, diesen ebenso komplexen wie disruptiven Moment zu nutzen.
Das mag überwältigend erscheinen. In ihrem neuen Buch Empire of AI beschreibt Karen Hao die Firma OpenAI und andere mächtige Tech-Akteure als Imperien: Während des Kolonialismus eroberten Imperien Ressourcen, beuteten unterworfene Arbeitskräfte aus und projizierten rassistische und entmenschlichende Vorstellungen von ihrer eigenen Überlegenheit und Modernität, um die Ausbeutung und die Durchsetzung ihrer Weltordnung zu rechtfertigen. Diese Metapher ist treffend. Auch Hao betont aber, in diesem entscheidenden Moment sei es noch möglich, »die Kontrolle über die Zukunft der Technologie zurückzugewinnen«.
Dazu muss man sich von der Tendenz der Linken distanzieren, sich lediglich um einzelne »Themen« oder »Bewegungen« zu organisieren und zu denken. KI könnte die Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital grundlegend verändern. Sie könnte unsere Lebens-, Arbeits- und Denkweise fundamental umgestalten. Dieser Kampf könnte die Rahmenbedingungen des Kapitalismus in den kommenden Jahrzehnten prägen. Wir brauchen Sozialistinnen und Gewerkschafter ebenso wie Ökonominnen, Tech-Visionäre oder Computerwissenschaftlerinnen. Ohne eine Linke, die ernsthaft darüber nachdenkt, die Zukunft der KI aktiv mitzugestalten, werden wir lediglich zur Reaktion gezwungen sein – zur Reaktion auf eine von den Tech-Bros geschaffene düstere Zukunft.
Holly Buck ist die Autorin von After Geoengineering: Climate Tragedy, Repair, and Restoration. Ihr neues Buch Ending Fossil Fuels: Why Net Zero is Not Enough erscheint im November 2024.
Matt Huber ist Professor für Geografie an der Syracuse University in den USA. Sein neuestes Buch Climate Change as Class War: Building Socialism on a Warming Planet ist 2022 bei Verso erschienen.