07. April 2025
Eigentlich versteht sich die Linke als antimilitaristische Partei, die gegen die Wehrpflicht ist. Aber in der neuen Bundestagsfraktion gibt es prominente Abweichler. Demnächst könnte ein Spaltung bevorstehen, meint Kolumnist Ole Nymoen.
Bodo Ramelow bei der Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten, Berlin, 25. März 2025.
Dass linke Parteien zur Spaltung neigen, ist seit über hundert Jahren bekannt. Genau deshalb war es ein kluger Schachzug der Linkspartei, sich im Bundestagswahlkampf auf diejenigen Themen zu konzentrieren, die intern unstrittig sind: Die Mieten müssen runter, die Löhne müssen rauf!
Daran war alles richtig und nichts falsch. Nun aber, inmitten der größten Aufrüstung seit Jahrzehnten, ist die Linkspartei in einer ihrer elementaren Fragen tief gespalten. Zwar ist die Partei offiziell anti-militaristisch und gegen eine neue Wehrpflicht. Dennoch haben linke Politiker, die in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern mitregieren, kürzlich im Bundesrat für die Grundgesetzänderungen gestimmt – mit der Begründung, dass so auch mehr Geld an die Länder fließen würde. Und dabei kam es noch nicht einmal auf die Stimmen der Linkspartei an. Ohne jede Not haben sich diese Linken mit einer ohnehin beschlossenen Aufrüstung gemein gemacht – völlig zu Recht wird man ihnen diese Entscheidung vonseiten des BSW und der Friedensbewegung für immer vorwerfen.
Das ist aber nicht alles: Auch innerhalb der neuen Bundestagsfraktion tut sich bereits Widerspruch zum anti-militaristischen Konsens auf. Der ehemalige Fraktionschef Dietmar Bartsch ließ Anfang März auf Twitter verlauten: »Unser Erfurter Programm von 2011 wird der Weltlage nicht mehr vollständig gerecht. Über die Frage, ob wir Waffenlieferungen für immer und überallhin kategorisch ausschließen, wird zu sprechen sein.« Im selben Atemzug verkündete Bartsch dann, die Linke werde keine »180-Grad-Wende hin zu einer zweiten Grünen-Partei« hinlegen.
»Wenn sich zu den alten Parteigrößen junge Nachrücker gesellen sollten, könnte es zu einer endgültigen Marginalisierung des Antimilitarismus in Deutschland kommen.«
Eine bemerkenswerte Aussage – immerhin waren es die Grünen, die vor dreieinhalb Jahren noch verkündet hatten, dass »keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete« exportiert werden sollten. Was seitdem passiert ist, dürfte bekannt sein: Die Grünen gehören zu den härtesten außenpolitischen Falken der Bundesrepublik und sind sogar für Waffenexporte nach Saudi-Arabien zu haben. Eine Neuausrichtung der Linkspartei in Sachen Waffenexporte würde denselben Weg ebnen.
Das Problem: Bartsch ist nicht der einzige linke Spitzenpolitiker im Bundestag, der neu über den Krieg nachdenken will. Schon vor drei Jahren forderte Bodo Ramelow die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht in Deutschland, als selbst unter Konservativen niemand einen solchen Vorschlag zu machen wagte. Und was macht die Linksfraktion mit dieser »Silberlocke«? Ganz einfach: Sie hat Ramelow kürzlich als ihren Bundestags-Vizepräsidenten auserkoren.
Es liegt nun an der Parteiführung, eine klare Linie durchzusetzen. Das dürfte nicht leicht werden, denn die neue Fraktion ist deutlich größer geworden, als irgendwer vor einem halben Jahr absehen konnte: Viele Listenplätze, die man ohnehin für aussichtslos gehalten hatte, wurden auf einmal mit einem Mandat beglückt. Wenn sich zu den alten Parteigrößen junge Nachrücker gesellen sollten, könnte es demnächst zu einer neuen Spaltung kommen – und zu einer endgültigen Marginalisierung des Antimilitarismus in Deutschland.
Ole Nymoen betreibt den Wirtschaftspodcast Wohlstand für Alle und ist Kolumnist bei JACOBIN. Sein neustes Buch Warum ich nicht für mein Land kämpfen würde ist kürzlich beim Rowohlt Verlag erschienen.