19. Dezember 2024
Christian Lindner ist im Wahlkampf und fordert eine krypto-freundliche Wirtschaftspolitik. Damit machen sich die Liberalen zu willfährigen Helfern der zynischsten Betrüger der Gegenwart, findet Ole Nymoen.
Fordert Bitcoins als Währungsreserven: Christian Lindner im Bundestag, 16. Dezember 2024.
Deutschland wird zum Bitcoin-Paradies! So will es zumindest die FDP, die zwei Monate vor der Bundestagswahl verzweifelt darum ringt, in den Umfragen über die 5-Prozent-Hürde zu kommen. Die Veröffentlichungen der letzten Wochen haben den Liberalen schwer geschadet, im staatstragenden deutschen Bürgertum scheint die Intriganz Christian Lindners wenig Freunde gefunden zu haben. Daher hat sich die FDP ein neues Publikum auserkoren: Die Bitcoin-Bros!
Als Olaf Scholz vor wenigen Tagen im Bundestag die Vertrauensfrage stellte, schimpfte Christian Lindner allen Ernstes über die »verlorenen Chancen« im Bereich Kryptowährungen: »Nichts habe ich davon gehört, was in der Welt passiert, welche Innovationen es gibt, die an Deutschland vorbei stattfinden! Nicht beim Bundeskanzler, nicht beim Wirtschaftsminister, nicht beim Oppositionsführer habe ich gehört, dass in den USA jetzt eine neue, kryptofreundliche Politik ins Werk gesetzt wird. Und dass die USA die Vorteile, die wir auch haben könnten, bei Bitcoin jetzt längst überholen wollen und ich höre nichts davon! Welch Versäumnis! Welche Chancen gehen uns verloren!«
Was es bedeuten soll, dass die USA Vorteile überholen wollen, wird Christian Lindners ewiges Geheimnis bleiben. Fest steht: Er will es Donald Trump gleich tun, die FDP setzt sich in ihrem neu veröffentlichten Wahlprogramm nämlich nicht nur für die Zulassung von Krypto-ETFs ein, sondern fordert zusätzlich auch noch, dass die EZB und die Deutsche Bundesbank »Kryptowährungen wie Bitcoin als Währungsreserven verwenden«.
Das ist, gelinde gesagt, idiotisch. Denn bei Bitcoin handelt es sich um ein völlig nutzloses Konstrukt. Der pseudonyme Gründer namens Satoshi Nakamoto hatte Bitcoin einst ins Leben gerufen, um eine libertäre, anti-staatliche Vision voranzutreiben. Bitcoin wurde als angebliche Alternative zum staatlichen Geld geschaffen. Nakamotos Fans lieben den Kapitalismus und sind überzeugt: Das Problem der Massen besteht nicht in ihrer Eigentumslosigkeit oder in ihrer Ausbeutung, sondern nur darin, dass die staatlichen Zentralbanken die Geldmenge inflationieren.
Um eine wirkliche Währung handelt es sich bei Bitcoin gleichwohl nicht. Aufgrund seiner deflationären Eigenschaft kann es nicht als kapitalistisches Geld taugen, es handelt sich in Wahrheit um ein reines Spekulationsobjekt. Im Gegensatz zu konventionellen Investments erzeugt die Kryptowährung keinerlei Mehrwert oder Dividende, sondern wird nur dadurch wertvoller, dass die Käufer immer wieder neue Idioten finden, die die Kryptowährung erwerben. Es handelt sich um das größte Schneeballsystem des 21. Jahrhunderts.
Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich kann man damit gutes Geld verdienen. Man muss nur immer weitere Opfer ausfindig machen, die den Preis des Spekulationsobjekts in die Höhe treiben. Profitieren tun die langfristigen Halter von Bitcoin, die sogenannten Holder. Dieses Geschäftsmodell ist ein Konstrukt, das eines Tages implodieren muss. Oder besser gesagt: müsste. Denn wenn tatsächlich die großen Staaten wie die USA, oder eben die Mitgliedsländer der Eurozone, zu Bitcoin als Währungsreserve greifen, wird die Pseudo-Währung in den Augen der breiten Öffentlichkeit zu einer seriösen Institution erhoben. Die Staaten machen sich damit zu Dienern einer privilegierten Minderheit, die schon lange im Besitz von Bitcoin ist — und retten ein ursprünglich anti-staatliches Projekt!
Das hat erstens eine gewisse Ironie und zeugt zweitens vom ökonomischen Analphabetismus moderner Liberaler, die eine beispiellose Betrugsmasche nicht von einem Investment unterscheiden können — oder wollen. Entweder sind Lindner & Co. in ökonomischen Fragen völlig ahnungslos, oder sie machen sich zu willfährigen Helfern der Krypto-Scammer.
So oder so: Die Wirtschaftskompetenz der FDP entpuppt sich als Klientelpolitik für die zynischsten Betrüger der Gegenwart.
Ole Nymoen betreibt den Wirtschaftspodcast Wohlstand für Alle und ist Kolumnist bei JACOBIN.