28. April 2025
Trumps radikale Zollpolitik sorgt weltweit für wirtschaftliches Chaos. Die »guten alten Zeiten« des uneingeschränkten Freihandels sollte man sich deswegen aber nicht zurückwünschen.
Containerschiffe beim Beladen im Hafen von Qingdao, China, 18. Juni 2024.
Donald Trumps Zollpolitik hat für Panik auf den Märkten und eine veritable Schockwelle in den internationalen Lieferketten gesorgt. Die Aktienmärkte befinden sich im freien Fall, Wachstumsprognosen wurden drastisch nach unten korrigiert, und eine Rezession mit steigender Arbeitslosigkeit droht.
Einige sehnen sich daher nach den ruhigeren Zeiten vor Trump: Es herrscht eine gewisse Nostalgie für die liberale Globalisierung der 2000er Jahre mit ihrem ungehinderten globalen Freihandel und einer Weltwirtschaft, die von berechenbaren Regeln bestimmt war. Diese Reaktion ist auf den ersten Blick nachvollziehbar. Trumps Zollkrieg ist in vielerlei Hinsicht kontraproduktiv. Zölle sind im Grunde Steuern, die größtenteils von den einfachen Verbraucherinnen und Verbrauchern bezahlt werden. Und sie sind eine Pauschalsteuer, die die Ärmsten am härtesten trifft, da diese einen größeren Anteil ihres Einkommens für Güter des täglichen Bedarfs, auf die nun Zölle aufgeschlagen werden, ausgeben. Wenn Trump sein Versprechen einhält, die daraus generierten Einnahmen für Steuersenkungen für die Reichen zu verwenden, könnte dies eine der regressivsten Steuerreformen in der Geschichte der USA werden.
Nostalgie für die Freihandelsära ist aber keine Alternative, unabhängig davon, was man von Trump und seiner Politik hält. Denn die Unzufriedenheit, die Trump zum Sieg verhalf, hängt eng mit den Spannungen zusammen, die durch die Globalisierung erst aufgebaut wurden. Die seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion vorherrschende neoliberale Weltordnung stand für Freihandel und Deregulierung der Finanzmärkte, was zu zunehmender Ungleichheit, Deindustrialisierung und Arbeitsplatzverlusten führte. Es ist keine Überraschung, dass es gerade die Arbeiterinnen und Arbeiter aus den besonders gebeutelten Gebieten des Mittleren Westens waren, die Trump schon 2016 zum Wahlsieg verhalfen. Schließlich versprach er ihnen, die Globalisierung und die Freihandelsabkommen, die Arbeitsplätze gekostet und zur Armut in den Kommunen geführt hatten, zu bekämpfen.
Der Weg aus dem aktuellen Handelskrieg darf nicht einfach eine Rückkehr zum vorherigen »Business as usual« sein – denn genau das hat uns erst in unsere heutige Lage gebracht.
Beim Thema globaler Freihandel sollte darauf hingewiesen werden, dass dieser Freihandel kein »natürliches« Ergebnis von marktwirtschaftlichen Kräften ist. Im Gegenteil, das globale Handelssystem ist das Resultat aktiver staatlicher Politik und Gestaltung der mächtigsten Akteure der Welt. Im 19. Jahrhundert »erschloss« das Vereinigte Königreich mit seinen Kanonenbooten Märkte auf der ganzen Welt. In China führten europäische Kolonialmächte zwei blutige Kriege (die Opiumkriege), um die Chinesen daran zu hindern, den freien Export von Opium aus China zu stoppen.
Das derzeitige Handelsregime wurde dann in den 1980er Jahren während der sogenannten Uruguay-Runde ausgearbeitet. Höhepunkt war 1995 die Gründung der Welthandelsorganisation (WTO). Die Globalisierung ist ein Produkt der unipolaren Vorherrschaft der USA nach dem Fall der Berliner Mauer. Im Mittelpunkt stand die Senkung von Zöllen, aber auch die Verhinderung anderer Formen von Regulierung – sogenannte technische Handelshemmnisse – wie Umweltstandards oder Arbeiterrechte. Gewerkschaften im Westen warnten seit den 1990er Jahren vor Gefahren für die heimischen Arbeitsplätze. Entwicklungsländer wiederum kritisierten, dass ihnen protektionistische Maßnahmen verwehrt werden, die die heute reichen Nationen in ihrer eigenen frühen Entwicklungsphase genutzt hatten.
»Für die Linke steht in der Handelspolitik nicht der grenzüberschreitende Warenverkehr im Vordergrund als vielmehr die uneingeschränkte Mobilität der Finanzsströme – denn sie verschiebt die Machtverhältnisse entscheidend zugunsten des Kapitals.«
Dieses System hat in den vergangenen vierzig Jahren vor allem großen Unternehmen aus den USA und dem Westen Vorteile verschafft. Sie konnten Löhne einsparen und Regulierungen umgehen, indem sie ihre Produktion in Länder des Globalen Südens verlagerten. Einige asiatische Länder haben die Globalisierung der Produktionsketten ebenfalls genutzt und davon profitiert, ihre eigenen Industriezweige gestärkt und ihre wirtschaftliche Entwicklung vorangetrieben. In den 2000er Jahren gelang es insbesondere China, eine starke staatliche Planung mit dem Befolgen der Freihandelsregeln zu kombinieren und innerhalb der globalen Wertschöpfungskette aufzusteigen, hin zu einer technologisch fortgeschrittenen und höherwertigen Produktion.
Die Theorie über die Vorteile des Freihandels geht auf den Ökonomen David Ricardo zurück, dessen Lehre von den komparativen Kostenvorteilen aus dem 19. Jahrhundert bis heute das Mainstream-Denken über Handelsfragen dominiert. Die Theorie besagt, dass Länder – unabhängig von ihrem wirtschaftlichen Entwicklungsstand – davon profitieren können, sich auf das zu spezialisieren, was sie relativ am besten produzieren. Das bedeutet, dass Land A, das ärmer ist und nur in wenigen Branchen gute oder herausragende Produkte hervorbringt, dennoch vom Handel mit dem viel reicheren Land B profitieren kann, obwohl B in praktisch allen Bereichen wettbewerbsfähiger ist.
Diese angenommene Win-Win-Situation existierte jedoch zumeist nur auf dem Papier. In der Praxis führte die Fokussierung auf unmittelbare komparative Kostenvorteile dazu, dass Peripherieländer von der Herstellung preislich volatiler Waren und dem Export von Rohstoffen abhängig blieben. Der Ökonom Ha-Joon Chang hat aufgezeigt, dass Länder, denen es gelungen ist, den Außenhandel für ihre wirtschaftliche Entwicklung zu nutzen – wie beispielsweise sein Heimatland Südkorea – aktiv staatliche Eingriffe genutzt haben, um ihre bisherigen komparativen Vorteile zu verändern. Hätte Südkorea dogmatisch Ricardos Theorie befolgt, gäbe es heute keine Industriegiganten wie Samsung und Hyundai, und die südkoreanische Wirtschaft würde nach wie vor von Reis und Fisch dominiert.
»Was bei den Forderungen, die Industrie zurückzuverlagern, außer Acht gelassen wird, ist, dass die sozialen Errungenschaften der Nachkriegszeit das Ergebnis schlagkräftiger Gewerkschaften waren, und nicht nur Ergebnis der industriellen Produktivitätssteigerung.«
Da es auch eine Finanzglobalisierung gab, konnte jegliche Politikmaßnahme, die mächtige Kapitalinteressen in Frage stellte, umgehend vom Markt bestraft werden. Dies führte zu einem »Lohnwettbewerb«, da Unternehmen relativ einfach in Regionen mit niedrigeren Löhnen abwandern konnten. Hinzu kam ein Steuerwettbewerb: Länder senkten ihre Steuern, um Investitionen anzulocken. Die Folge war weltweit wachsende Ungleichheit, da die Löhne gegenüber dem Kapital immer wieder den Kürzeren zogen. In reichen Ländern traf das Outsourcing die Arbeiterklasse am härtesten, doch auch in Entwicklungsländern wie China und Indien kamen die Vorteile des teils riesigen Wachstums hauptsächlich Unternehmensbesitzern zugute. Das »Race to the Bottom« bei Steuern hat darüber hinaus zu einer Ausdünnung der Sozialsysteme weltweit geführt.
Für die Linke steht in der Handelspolitik nicht so sehr der grenzüberschreitende Warenverkehr im Vordergrund als vielmehr die uneingeschränkte Mobilität des Kapitals. Seit den 1980er Jahren ist es aufgrund der Liberalisierung der Finanzströme und Produktionsnetzwerke für Unternehmen ein Leichtes, ihre Standorte zu verlagern. Sie können jederzeit mit Wegzug drohen, um ihre Angestellten zu disziplinieren sowie demokratische Entscheidungsprozesse zu beeinflussen oder einzuschränken. Diese Mobilität ist zu einem festen Bestandteil der Weltwirtschaft geworden – und sie verschiebt die Machtverhältnisse entscheidend zugunsten des Kapitals.
In diesem Zusammenhang hat der Handel eine disziplinierende Funktion. Er hat nicht nur den Austausch erleichtert, sondern auch die innenpolitischen Rahmenbedingungen umgestaltet und den Handlungsspielraum von Staaten und Gesellschaften eingeschränkt: Die Angst vor Kapitalflucht hat Tarifverhandlungen erschwert, Steuereinnahmen geschmälert und Regierungen zu einem Unterbietungswettbewerb bei Löhnen, Regulierung und Sozialleistungen gedrängt. Die Beschwörung der Wettbewerbsfähigkeit hat frühere Fragen nach Gerechtigkeit verdrängt; Wirtschaftspolitik wurde auf die Frage reduziert, was die Märkte tolerieren.
Was bei den Forderungen, die Industrie »zurückzuverlagern« oft außer Acht gelassen wird, ist jedoch, dass die sozialen Errungenschaften aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts in den Industriestaaten das Ergebnis schlagkräftiger Gewerkschaften waren, und nicht nur der industriellen Produktivitätssteigerung. Ohne einen hohen Grad an gewerkschaftlicher und politischer Organisation ist es unwahrscheinlich, dass die »Rückkehr der Produktion« zu besseren Bedingungen für die Arbeiterinnen und Arbeiter führen wird.
Die eigentliche Herausforderung besteht darin, weder die Ära der Globalisierung wiederhertzustellen noch uns hinter nationale Grenzen zurückzuziehen. Eine ernsthafte linke Diskussion über globalen Handel muss stattdessen mit dem Ziel geführt werden, die globalen Regeln so zu verändern, dass Handel nicht länger ein Druckmittel der Kapitalseite bleibt.
Rune Møller Stahl ist Assistenzprofessor für politische Ökonomie an der Copenhagen Business School und war politischer Berater der Parlamentsfraktion der dänischen Rot-Grünen Allianz.