11. Februar 2021
Der Realsozialismus ist zerbrochen. Doch aus dem Scheitern der Vergangenheit können wir lernen, wie eine sozialistische Zukunft möglich werden kann.
»Der Weg der roten Fahne« - Wandmosaik (DDR) - Kulturpalast Dresden
In den letzten Jahren erlebte die sozialistische Linke in einigen Teilen der Welt eine bescheidene, aber nicht zu leugnende Renaissance. Nach einer Phase der Desorientierung und teilweisen Auflösung in den 1990er Jahren wird der »Sozialismus« wieder häufiger als Utopie jenseits des Kapitalismus erachtet. Das zeigt sich etwa bei der Partei DIE LINKE in Deutschland, in den Kampagnen von Bernie Sanders und Jeremy Corbyn in den USA und Großbritannien oder den linken Bewegungen Lateinamerikas. Der Sozialismus als gesellschaftspolitisches Ziel spielt in den linken Diskussionen wieder eine bedeutsame Rolle – diese Entwicklung ist zu begrüßen.
Innerhalb dieser Konstellation neuer sozialistischer Bewegungen bleibt jedoch auffällig undefiniert, was unter Sozialismus genau zu verstehen ist, geschweige denn, ob er eine realistische Chance hat, sich als politisch und wirtschaftlich tragfähige Alternative zum Kapitalismus zu behaupten. Der Zusammenbruch des sozialistischen Blocks in Osteuropa vor dreißig Jahren hat keine fertigen Modelle hinterlassen, die heutige Bewegungen einfach nachbilden könnten. Dies birgt jedoch gleichzeitig auch die Chance, den Sozialismus im 21. Jahrhundert neu zu bestimmen und neu zu gestalten.
Dieser Sozialismus wird zweifellos anders sein als der Sozialismus der Vergangenheit, den wir aus der DDR und anderen staatssozialistischen Ländern kannten. Dennoch stellt sich die Frage, was wir von diesen Versuchen lernen können, schließlich lässt sich an diesen Versuchen aufzeigen, weshalb die Bemühungen um den Aufbau einer solchen Gesellschaft scheiterten, und wie sich die vielfältigen Erfahrungen aus diesem Scheitern für einen zukunftsfähigen Sozialismus nutzen lassen.
Der Realsozialismus ist gescheitert. Grund dafür sind vor allem innere, strukturelle Defizite und Fehlentwicklungen: autoritäre Machtverhältnisse, die auf der führenden Rolle der sozialistischen und kommunistischen Parteien beruhten und demokratische und zivilgesellschaftliche Strukturen behinderten; unzureichende Entfaltung persönlicher Freiheitsrechte wie etwa die Einschränkung der freien Meinungsäußerung und freien Reisemöglichkeit; mangelnde reale Vergesellschaftung des Eigentums an den Produktionsmitteln (d.h., dass die lebenden und arbeitenden Menschen als Eigentümer und nicht nur die staatlichen Institutionen einen starken Einfluss auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Gesellschaft nehmen); Rückstände gegenüber den kapitalistischen Staaten in der Entwicklung der Produktivkräfte und der Effizienz der Produktion; Tendenzen einer Mangelwirtschaft und Probleme in der bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen.
Zugleich wurden in der DDR und den anderen Staaten des Realsozialismus – so die offizielle Selbstbezeichnung der staatssozialistischen Länder – viele erhaltenswerte Fortschritte für das Leben und Arbeiten der Bevölkerung erzielt. Dazu gehören die Überwindung der Massenarbeitslosigkeit und die Sicherung der Vollbeschäftigung, die Gleichberechtigung der Frauen durch vielfältige Maßnahmen zur Frauenförderung und durch die umfassende Organisation der Kinderbetreuung in Kindergärten und Schulhorten; die Verbesserung der Zugangsmöglichkeiten für Kinder von Arbeitern und Bauern zu Universitäten und Hochschulen, so etwa durch die Arbeiter- und Bauernfakultäten (ABF) zum Erwerb der Hochschulreife; und die Sicherung der gesundheitlichen Versorgung für alle Menschen. Allen Errungenschaften zum Trotz muss jedoch festgehalten werden, dass es für einen demokratischen und freiheitlichen, ökologisch nachhaltigen und effizienten Sozialismus noch kein realisiertes Beispiel gibt. Ein solcher Sozialismus müsste sich grundlegend vom gescheiterten Staatsozialismus unterscheiden, dessen Defizite und Fehlentwicklungen vermeiden und den Bedürfnissen der Menschen entsprechen.
Obwohl sich der Kapitalismus seit mehr als zwei Jahrhunderten als äußerst flexibel und anpassungsfähig erwiesen hat, kann die ihm innewohnende Krisenhaftigkeit durch Reformen weder gestoppt noch aufgelöst werden. So wichtig einzelne Reformen auf verschiedenen Gebieten auch sind, können sie die grundlegenden Konflikte und Probleme nicht beheben, solange die tieferen, systemischen Ursachen nicht überwunden werden.
Privatkapitalistische Eigentumsstrukturen führen zu einer Wirtschaftsweise, die auf höchstmögliche Profite gerichtet ist. Das führt zu wachsender sozialer Polarisierung der Einkommen und Vermögen in den einzelnen Staaten und im globalen Maßstab, zunehmender Unsicherheit und Zukunftsängsten, Verschärfung der Klima- und Umweltkrise sowie einer globale Machtkonzentration in den Händen transnationaler Konzerne und Finanzinstitutionen. All diese Eigenschaften des Kapitalismus stehen der Lösung dieser Konflikte entgegen.
Daher ist eine sozialistische Transformation hin zu einem demokratischen, zukunftsfähigen, freiheitlichen und ökologisch nachhaltigen Sozialismus notwendig. Dies kann aber nur stufenweise gelingen – angefangen bei einer Transformation im Kapitalismus, die dann als weitergehender Prozess über den Kapitalismus hinausreicht und diesen überwindet. Diese strategische Orientierung beruht auf der Einsicht, dass die Fehlentwicklungen im Realsozialismus nicht dem Sozialismus immanent sind, sondern sich vermeiden lassen. Dennoch wird der Weg zu dieser sozialistischen Gesellschaft durch große Schwierigkeiten, viele alternative Lösungsformen und auch starke Widersprüche gekennzeichnet sein.
Unerlässliche Voraussetzung für erfolgreiche Transformationsprozesse ist eine gründliche Analyse des Scheiterns des Realsozialismus, um dieses künftig zu vermeiden. Dafür ist eine nähere Auswertung der Erfahrungen, die aus der 40-jährigen Entwicklung der DDR vorliegen, unverzichtbar.
Einige linke Theoretiker sind der Meinung, es sei falsch, diese Erfahrungen als Erkenntnisquelle für die Gestaltung der Zukunft zu betrachten, weil sie sich auf Prozesse der Vergangenheit beziehen, die nicht mehr verändert werden können. Bei der Auswertung der Vergangenheit geht es jedoch im Kern darum, die richtigen Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen. Daraus mag sich sicherlich noch kein Modell für einen zukünftigen Sozialismus entwickeln lassen, doch sie können als Orientierung für sozialistische Transformationsprozesse dienen.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass der sozialistische Versuch der DDR vorwiegend auf dem sowjetischen staatssozialistischen Modell beruhte, also von einer übermäßigen Zentralisierung aller Entscheidungen durch den Staat und die führende Partei sowie einer Bürokratisierung der Leitung und Kontrolle gezeichnet war. Deshalb waren die ökonomischen Spielräume für eine eigenverantwortliche wirtschaftliche Tätigkeit der Unternehmen sehr eingeschränkt. Offene Debatten über Probleme und Lösungswege wie auch offene Kritik waren kaum möglich, besonders wenn es um Parteibeschlüsse ging. Auch die Möglichkeiten einer demokratischen Einflussnahme auf anstehende Entscheidungen und die Kontrolle ihrer Durchführung waren sehr begrenzt. Hinzu kam die Rolle der Sowjetunion als Hegemonialmacht im sozialistischen Block, die dauerhafte, alternative Entwicklungen in einzelnen Ländern faktisch unmöglich machte.
Diese Probleme traten in der Tendenz in allen realsozialistischen Ländern auf. Größere freiheitliche Spielräume und offene Diskussionen gab es in Ungarn und zeitweilig in der ehemaligen Tschechoslowakei. Besonders autoritär war die politische Ordnung in Rumänien. In der Tschechoslowakei wurden in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre im Zuge des »Prager Frühling« eine Demokratisierung des Sozialismus angestrebt. Er fand 1968 mit dem Einmarsch von Truppen des Warschauer Vertrages ein frühzeitiges Ende.
Die leitenden Gremien in den staatssozialistischen Ländern waren in den jeweiligen Regionen die örtlichen Parteileitungen und allen voran das Zentralkomitee der führenden Partei – im Fall der DDR also die SED – mit einer besonderen Machtkonzentration im Politbüro und dem Generalsekretär. Der Staat war dafür verantwortlich, die Beschlüsse der führenden Partei zu erfüllen. Die wichtigsten Institutionen in der DDR waren auf staatlicher Ebene die Volkskammer (das gewählte Parlament) und der Ministerrat (die Regierung, die aus vielen Ministern bestand) sowie in den Bezirken die Bezirkstage und die Räte der Bezirke. Die Führungskader wurden meist von der SED nach ihrer Qualifikation, Leitungserfahrung und politischen Zuverlässigkeit ausgewählt und eingesetzt. Die meisten leitenden Funktionäre waren Mitglied der SED. Es wurden aber auch Vertreter der anderen Parteien – etwa der Christlich Demokratischen Union, der Liberaldemokratischen Partei, der Nationaldemokratischen Partei oder der Bauernpartei – in leitende Funktionen berufen.
Die Entwicklung in der DDR wurde im Vergleich mit den anderen Ostblockstaaten auch durch die Spaltung Deutschlands geprägt – mit all den sich daraus ergebenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen. Besonders hervorzuheben ist dabei die gemeinsame Grenze zwischen dem sozialistischen und dem kapitalistischen Lager. Hinzu kam ein relativ hoher Entwicklungsstand der Produktivkräfte im Vergleich zu den anderen Staaten des sozialistischen Lagers.
Zu den Erfolgen des DDR-Sozialismus gehörten die zu Beginn schon erwähnten Fortschritte in entscheidenden sozialen Gebieten. Grundlagen für diese Errungenschaften waren vor allem die Dominanz des öffentlich-staatlichen Eigentums im Verhältnis zum privatkapitalistischen Eigentum, die soziale Gerechtigkeit als Prinzip der Gestaltung der sozialen Verhältnisse und die staatliche Regulierung der Wirtschaftsentwicklung.
Die Umsetzung der für den Sozialismus typischen Aufgaben war auf allen Ebenen – angefangen bei der Zusammenarbeit im RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) bis hin zu den Kommunen und Unternehmen – von der Qualität der Leitungen bestimmt. Besonders wichtig war dabei die Fähigkeit der Leiterinnen und Leiter, eine offene Zusammenarbeit mit den Beschäftigten zu gewährleisten und ihre aktive Mitwirkung bei der Lösung der Aufgaben zu erreichen. Betriebskollektive sind am ehesten bereit, ihre Leistungspotenziale einzusetzen, wenn sie sehen, dass der beschrittene Weg richtig ist und dass auch sie direkt von den Ergebnissen einen Nutzen haben.
Die Voraussetzungen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der DDR und der Bundesrepublik waren sehr unterschiedlich. Das Anlagevermögen der Industrie war in der späteren DDR im Vergleich zu 1944 um etwa 30 Prozent niedriger. Grund dafür war vor allem die Demontage von Produktionsanlagen und Infrastruktur und ihr Transport in die Sowjetunion sowie weitere hohe Reparationszahlungen an die Sowjetunion, die die Hauptlasten des Krieges zu tragen hatte. Infolge dieser Produktionsabzüge betrugen die Bruttoinvestitionen je Einwohner in der DDR im Jahr 1950 nur ein Fünftel des Wertes der Bundesrepublik. Die Zahlungen, die die DDR leisten musste, waren um ein Vielfaches höher als die der Bundesrepublik. Dies war ein wesentlicher Grund dafür, weshalb das Niveau der Produktion in der Bundesrepublik schon 1948 um 10 Prozent höher war als noch 1936.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner der DDR betrug (Bundesrepublik jeweils = 1), 1950: 0,39, 1970: 0,45, 1989: 0,55. Der Abstand wurde somit durch ein höheres Wachstumstempo der Produktion in der DDR verringert, aber bei weitem nicht überwunden. Der Unterschied bei der Arbeitsproduktivität (BIP je Erwerbstätige) war infolge der höheren Erwerbsquote in der DDR sogar noch größer. Der Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung lag 1985 in der DDR bei 57 Prozent und in der Bundesrepublik bei 45 Prozent, der Anteil der erwerbstätigen Frauen an der weiblichen Bevölkerung betrug in diesem Jahr in der DDR 51 Prozent, in der Bundesrepublik nur 31 Prozent.
Einige Methoden, die zwar zu wichtigen Fortschritten in der DDR führten, wurden zu einseitig angewandt. Dazu gehört unter anderem auch die übermäßig zentralisierte Planung der Produktion für eine breite Palette von Gebrauchsgütern. In den zentralen Staatsplanbilanzen der DDR für Rohstoffe und Materialien, Ausrüstungen und andere Anlagen und Konsumgüter wurde ein viel zu großer Teil der Produktionsaufgaben zentral verbindlich festgelegt: etwa 50 Prozent der gesamten wertmäßigen Warenproduktion, etwa 60 Prozent des Exports und 45 Prozent des Warenfonds für die Versorgung der Bevölkerung. Da fast die gesamten realisierten Gewinne der Unternehmen an den Staatshaushalt abgeführt werden mussten, konnten die Erträge kaum eigenverantwortlich für die Entwicklung der Betriebe eingesetzt werden.
Die Überzentralisierung der Planung war eine Ursache für die Tendenzen zur Mangelwirtschaft und die unzureichende Effizienz des gesamten Reproduktionsprozesses. Gerade diese Defizite trugen zum Rückstand der DDR-Wirtschaft im Hinblick auf Kosten, Produktivität und Konkurrenzfähigkeit auf den internationalen Märkten bei. Sie waren damit auch ein wesentlicher Grund für den dauerhaften Rückstand der wirtschaftlichen Entwicklung in der DDR gegenüber der Bundesrepublik und letztlich auch für den Untergang der DDR.
Neben ökonomischen Faktoren waren für das Scheitern des Realsozialismus in allen staatssozialistischen Ländern ebenso politische und ethisch-moralische Probleme entscheidend. Sie äußerten sich insbesondere in Machtkonzentration, Personenkult, Klientelismus, Korruption sowie in starken Defiziten bei den Freiheitsrechten und der Demokratisierung der Gesellschaft. Kritik an Missständen wurde eher behindert als gefördert, es gab kaum offene, demokratische Debatten zur Vorbereitung und Mitbestimmung bei wichtigen Entscheidungen. Das führte zu Unzufriedenheit und einer wachsenden oppositionellen Stimmung gegen die herrschenden Verhältnisse.
Diese Reihe an Fehlentwicklungen kann jedoch nicht auf eine Ursache zurückgeführt werden, vielmehr war hierfür ein ganzer Komplex von Faktoren ausschlaggebend: falsche Orientierung an der leninistischen Theorie der sozialistischen Revolution, politische Fehlentscheidungen der jeweiligen Staatsführungen, Überschätzung der eigenen Möglichkeiten und dadurch unrealistische Zielsetzungen. Eine entscheidende Rolle spielten natürlich auch die wirtschaftliche Überlegenheit der kapitalistischen Hauptländer und deren ständige Bestrebungen, Fortschritte des Sozialismus zu verhindern und ihn so schnell wie möglich zu liquidieren.
Aus all dem muss die Lehre gezogen werden, dass es während der sozialistischen Transformation und natürlich auch innerhalb einer realisierten sozialistischen Gesellschaft die Fähigkeit zur Selbstkritik aufrechtzuerhalten gilt und dabei auch ethische Fragestellungen nicht auszuklammern sind. In jüngster Zeit ist das Scheitern progressiver linker und Mitte-links-Regierungen in Lateinamerika zu einem nicht geringen Teil auf Vertrauensverluste der breiteren Bevölkerungsschichten zurückzuführen, die aus der Frustration über Klientelismus, Korruption und autoritärem Führungsstil erwachsen.
Die Bilanz zeigt, dass die reale Vergesellschaftung des Eigentums an den Produktionsmitteln und die Planung der Wirtschaft in Verbindung mit einer umfassenden Demokratisierung des Marktes weit hinter den Erfordernissen eines zukunftsfähigen Sozialismus zurückblieb. Bei der Analyse des Scheiterns des Realsozialismus spielen auch tiefere Widersprüche eine wichtige Rolle. Sie bestanden vor allem zwischen staatlicher Macht und umfassender Demokratisierung; zwischen Staatseigentum und real vergesellschaftetem, öffentlichem Eigentum, das Selbstbestimmung und Entfaltung der Individualität fördert und auf dessen Grundlage die Entfremdung der Arbeit aufgehoben werden kann; zwischen zentraler gesellschaftlicher Planung und Regulierung einerseits und den Kategorien, Mechanismen und Instrumenten des Marktes andererseits.
Ausdruck hierfür waren etwa die Preise für Grundnahrungsmittel und für Mieten, die in der DDR nicht der realen Steigerung von Kosten und Aufwand angepasst werden durften, oder die Widersprüche zwischen einer solidarischen und gleichberechtigten internationalen sozialistischen Zusammenarbeit und dem Weiterbestehen nationaler Egoismen und hegemonialer Tendenzen beim politisch und wirtschaftlich stärksten Staat im sozialistischen Lager. Diese Widersprüche beeinflussten unter anderem die Festlegung der Preise und der Liefermengen von Rohstoffen, insbesondere von Erdöl, durch die Sowjetunion, und die ungenügende Spezialisierung der Produktion zwischen den Mitgliedsstaaten des RGW.
Ab Ende der 1960er Jahre wurde die Wirtschaftsorganisation in der DDR von der Kombinatsbildung bestimmt. In den Kombinaten wurden Betriebe zusammengeschlossen, deren Lieferketten eng miteinander verflochtenen waren oder deren Produktion sich sehr ähnelte. Die Betriebe eines Kombinats bestanden als relativ eigenständige Wirtschaftseinheiten weiter. In den Kombinaten waren Produktion, Beschaffung und Absatz sowie dazu erforderliche Forschungskapazitäten zusammengefasst.
In den 1970er und 80er Jahren gab es in der DDR etwa 170 zentral geleitetet Kombinate, die direkt den Ministerien unterstanden und etwa 90 Kombinate der regionalen Wirtschaft, für die die Räte der Bezirke verantwortlich waren. Zu den bekanntesten Kombinaten gehörten das Kombinat Carl Zeiss Jena, das Werkzeugmaschinenkombinat Fritz Heckert und das Kombinat Schiffbau Rostock. Die Generaldirektoren der Kombinate und deren Stellvertreter wurden von den jeweils zuständigen Ministern berufen. Die Arbeiterinnen und Arbeiter der DDR waren zum weitaus überwiegenden Teil in den Kombinaten und deren Betrieben beschäftigt.
Eine grundlegend andere Entwicklung in Richtung eines demokratischen Sozialismus konnte in den 1980er Jahren nicht mehr beschritten werden. Die Möglichkeiten für eine andere, bessere Alternative waren stark eingeschränkt, weil schon die Oktoberrevolution 1917 in Russland teilweise falsche Weichen für den Aufbau und die weitere Entwicklung des Sozialismus gestellt hatte. Später beschränkte die Hegemonie der Sowjetunion im sozialistischen Block und die herrschenden politischen Machtverhältnisse in den einzelnen staatssozialistischen Ländern die realen Möglichkeiten einer alternativen Entwicklung des Sozialismus.
Der Realsozialismus erwies sich zunehmend als reformunfähig. Das heißt keineswegs, dass ein neuer Sozialismus nicht möglich ist – erforderlich ist jedoch, dass dieser aus den Erfahrungen der Vergangenheit seine Lehren zieht.
Die positiven Errungenschaften des Realsozialismus sind nicht widerspruchsfrei und können nicht einfach für einen zukunftsfähigen Sozialismus übernommen werden. Sie müssen weiterentwickelt und an die Realisierungsbedingungen unserer Zeit angepasst werden. Ferner gilt es sich auf die zu erwartenden Blockierungen einer solchen Transformation vorzubereiten.
Seit dem Scheitern des Realsozialismus hat sich die gesellschaftliche Lage der Welt stark verändert, das zeigt sich vor allem in der Verschärfung der Umwelt- und Klimakrise, die Konsequenzen für die ökologische Politik und deren Verflechtung mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik nach sich zieht. Zu nennen sind außerdem die neuen Entwicklungen der Digitalisierung, der Plattformökonomie und künstlichen Intelligenz sowie deren Folgen für die Wirtschaftspolitik und die internationale Zusammenarbeit. Auch ist die Globalisierung und der damit einhergehende Machtzuwachs transnationaler Konzerne sowie die Herausbildung internationaler Lieferketten weiter vorangeschritten. Ebenso haben sich die internationalen Kräfteverhältnisse verschoben. Die Prekarisierung und die soziale Ungleichheit haben sich verschärft und das Erstarken rechtspopulistischer und nationalistischer Tendenzen ist nicht zuletzt auch ein Effekt politisch-struktureller Veränderungen.
In Deutschland und den Ländern der Europäischen Union ist gegenwärtig ein überwiegender Teil der Bevölkerung der Meinung, dass der Kapitalismus die Lebensfragen der Menschen nicht lösen wird, dass es zu ihm aber keine realistische Alternative gibt. Ein Grundproblem für eine erfolgreiche sozialistische Transformationsstrategie besteht darin, dass es noch kein Beispiel für eine weitgehend erfolgreiche Transformation zum Sozialismus gibt, die in ihren wesentlichen Zügen mit den Vorstellungen einer realen sozialistischen Utopie übereinstimmt und deren positive Erfahrung eine Grundlage für künftige sozialistische Alternativen sein könnte.
Die Herausforderungen der Vergangenheit weisen auf die entscheidende Rolle der Qualifikationen derjenigen hin, die bei der Herausbildung und weiteren Entwicklung einer sozialistischen Gesellschaft eine leitende Aufgabe wahrnehmen. Besonders folgende Eigenschaften und Fähigkeiten müssen ausgebildet werden: die Bereitschaft zur Selbstkritik und zur Aufnahme von Kritik, die Vermeidung von persönlichem Machtstreben, Personenkult und Anfälligkeit für Klientelismus und Korruption sowie die Fähigkeit, offene demokratische Gespräche mit breiten Kreisen der Bevölkerung zu führen. Auf diesem Gebiet der politischen Kultur besteht noch ein großer Bedarf für künftige Lernprozesse.
Für eine erfolgreiche und nachhaltige Entwicklung des Sozialismus sind die stabile Unterstützung durch die Bevölkerungsmehrheit unverzichtbar. Eine Herausforderung von zentraler Bedeutung liegt darin, die Bewegungen für soziale Gerechtigkeit mit der Klima- und Umweltbewegung zusammenzubringen. Deshalb kommt der kulturellen Entwicklung, der Aufklärung und der Herausbildung einer neuen Moral und eines sozialistischen Bewusstseins eine besondere Bedeutung zu. Über die Lösung dieser Probleme in einem sozialistischen Transformationsprozess dürfen wir uns keine Illusionen machen. Sie müssen ständig auf der Tagesordnung bleiben.
Eine kritische Analyse der Geschichte sozialistischer Transformationsprozesse zeigt ebenso auf, dass das Ableiten notwendiger Konsequenzen für eine Transformationsstrategie bisher vernachlässigt wurde. So lässt sich beobachten, dass auch in jüngeren Versuchen, etwa in den lateinamerikanischen Ländern, zum großen Teil die gleichen Fehlentwicklungen auftreten. Der Ankündigung des neuen linken Präsidenten Luis Arce in Bolivien, er werde den »Prozess des Wandels« neu aufnehmen und dabei aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, kommt daher eine besondere Bedeutung zu.
Es liegt noch viel Arbeit vor uns. Besonders wichtig ist die offene und kritische Diskussion. Das gilt vor allen Dingen hinsichtlich der Ausgestaltung der Beziehungen zwischen wirtschaftlicher Planung einerseits und den Instrumenten des Markts andererseits. Ebenso halte ich es für wesentlich, das Verhältnis zwischen der notwendigen Zentralisierung von Entscheidungen und der demokratischen Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Entscheidungsfindung zu reflektieren. Ohne Experimente und Korrekturen werden wir dabei nicht auskommen.
Hilfreich für die Bestimmung notwendiger Reformschritte, ist neben der Erfahrung des Staatssozialismus auch die Auswertung des New Deal in den USA unter Roosevelt in den 1930er Jahren. Wie der Arbeitsmarktforscher Steffen Lehndorff betont, zeigt sich am Beispiel des New Deals, dass zwischen demokratischer Führungstätigkeit und gesellschaftlichen Bewegungen eine enge Wechselwirkung besteht. Ob Fehler im Wirtschaftssystem mit drastischen Mitteln korrigiert werden können, hängt letztlich auch davon ab, ob Optimismus und Engagement durch die Artikulierung gemeinsamer Interessen wieder zum Leben erweckt werden können. Gesetze, die auf eine Transformation der Wirtschaft abzielen, sind letztlich nur mit starker öffentlicher Unterstützung durchsetzbar. Darin liegt der Zusammenhang zwischen erfolgreichem staatlichem Eingreifen und öffentlichem Eigentum.
Für das Scheitern der bisherigen Sozialismusversuche tragen die sozialistischen und kommunistischen Parteien eine große Verantwortung. Auch aus diesem Grund ist es notwendig, ihre Rolle in einer sozialistischen Gesellschaft zu erörtern. Dies ist bisher noch zu wenig geschehen. Ohne diese Frage ausführlich zu behandeln, möchte ich einige Überlegungen hierzu anfügen.
Eine sozialistische Partei ist für eine sozialistische Alternative unverzichtbar, sowohl als Organisation, die theoretische Fragen und politische Aufgaben einer sozialistischen Strategie ausarbeitet, als auch um die sozialen Bewegungen und die Mehrheit der Bevölkerung für ein solches Projekt zu gewinnen. Dazu muss eine solche sozialistische Partei in ihrer eigenen Diskussion um theoretische und politisch praktische Fragen der Entwicklung zu einer besseren Gesellschaft ein Beispiel sein. Eine sozialistische Partei darf in einem sozialistischen Transformationsprozess keine privilegierte Rolle spielen. Sie muss wie alle anderen demokratischen Parteien darum kämpfen, Mehrheiten für ihre Politik zu gewinnen.
Nicht die Beschlüsse einer führenden Partei, sondern die Ergebnisse demokratischer Wahlen für die Parlamente und andere wichtige Institutionen müssen Grundlage für Entscheidungen auf den verschiedenen Gebieten der politischen, ökonomischen, sozialen und umweltpolitischen Entwicklung in einer zukünftigen sozialistischen Gesellschaft sein. Die Bewältigung der Herausforderungen, vor denen der Sozialismus steht, werden nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossen sein. Sie bleiben ständige Aufgabe einer sozialistischen Transformation und einer sozialistischen Gesellschaft.
Prof. Dr. Klaus Steinitz, geboren 1932, ist Wirtschaftswissenschaftlicher und arbeitete in der DDR vor allem in der Forschung und Lehre, sowie in verantwortlichen Funktionen der Staatlichen Plankommission. Nach der Wende war er Mitglied des Parteivorstandes und des Präsidiums der PDS, dort verantwortlich für linke Wirtschaftspolitik. Er war außerdem als Vorsitzender des Vereins Helle Panke in der politischen Bildung aktiv, Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften, der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik und der sozialistischen Studiengruppe. Er ist vielfach publizierter Autor zu Fragen des Scheiterns des Realsozialismus, zu Bedingungen und Herausforderungen einer sozialistischen Alternative und polit-ökonomischen Problemen.
Prof. Dr. Klaus Steinitz, geboren 1932, ist Wirtschaftswissenschaftlicher und arbeitete in der DDR vor allem in der Forschung und Lehre, sowie in verantwortlichen Funktionen der Staatlichen Plankommission. Nach der Wende war er Mitglied des Parteivorstandes und des Präsidiums der PDS, dort verantwortlich für linke Wirtschaftspolitik. Er war außerdem als Vorsitzender des Vereins Helle Panke in der politischen Bildung aktiv, Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften, der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik und der sozialistischen Studiengruppe. Er ist vielfach publizierter Autor zu Fragen des Scheiterns des Realsozialismus, zu Bedingungen und Herausforderungen einer sozialistischen Alternative und polit-ökonomischen Problemen.