17. Januar 2024
Donald Trump hat kaum Wahlkampf in Iowa geführt und trotzdem einen historischen Sieg errungen. Joe Biden sollte langsam klar werden, dass es bei der Präsidentschaftswahl mehr braucht als das ewige »Wählt mich, denn ich bin nicht Trump«.
Der ehemalige US-Präsident Donald J. Trump nimmt an einer Fox News Town Hall-Veranstaltung im Iowa Events Center in Des Moines, Iowa, 10. Januar 2024.
In den vergangenen drei Jahren hat die Demokratische Partei in den USA mit allen Mitteln versucht, Donald Trumps Chancen auf eine erneute Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner zu schmälern: das beinhaltete das jahrelange Spektakel in den Medien und im Kongress rund um den 6. Januar, die zahlreichen strafrechtlichen Anklagen gegen Trump und auch die jüngsten Versuche, ihn in mehreren Bundesstaaten gerichtlich aus dem Wahlkampf zu drängen. Stattdessen ist Trumps Unterstützung innerhalb der Republikanischen Partei aber nur weiter gewachsen – teils offenbar wegen seiner Skandale und den Aktionen der Demokraten.
Angesichts von Trumps überwältigendem Sieg bei den Vorwahlen in Iowa sollten sich die Demokraten endlich fragen, ob sie für einen Sieg gegen den Ex-Präsidenten nicht doch eine Strategie brauchen, die mehr beinhaltet als Fingerzeigen und Versuche, per rechtlichen Spielen die drohende Niederlage abzuwenden.
Trump hat am Montagabend mit 30 Prozentpunkten Vorsprung gewonnen. Mit 51 Prozent der Stimmen konnte er sogar die rosigen Umfragewerte vor der Wahl noch übertreffen. Sein Vorsprung vor dem Zweitplatzierten war fast dreimal so groß wie bei früheren »klaren« Siegern in Iowa: Bob Dole schlug 1988 den Fernsehpastor Pat Robertson mit zwölf Punkten Vorsprung (wobei später keiner von beiden die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten gewann); George W. Bush triumphierte 2000 in einem dünn besetzten Feld mit elf Punkten vor dem millionenschweren Verleger Steve Forbes; und Mike Huckabee schlug 2008 den Zweitplatzierten Mitt Romney um neun Punkte. Nun hat Trump nicht nur mit großem prozentualen Vorsprung gesiegt, sondern alle Wahlbezirke Iowas gewonnen – bis auf einen, wo er mit einer einzigen Stimme unterlag.
»Umfragen direkt nach Wahlen sollten immer mit Vorsicht genossen werden, aber sie scheinen zu zeigen, dass Trump deutliche Mehrheiten bei Wählerinnen und Wählern über dreißig Jahren, Republikanern, Konservativen, Unabhängigen und in allen Bildungsschichten für sich verbucht.«
Trump gelang dieses Kunststück trotz der ständigen Flut an Skandalen und negativer Berichterstattung, die vermutlich jeden anderen Wahlkampf zunichtegemacht hätten. Er machte sich nicht die Mühe, auch nur an einer einzigen Debattenrunde in Iowa teilzunehmen; bis Anfang dieses Monats war er nicht einmal im Bundesstaat aufgetaucht. Dennoch hat er souverän gewonnen – und das, obwohl sein schärfster Konkurrent (wenn man es denn so nennen möchte) Ron DeSantis alles daran setzte, den Staat zu erobern. DeSantis hatte seinerseits alle 99 Wahlbezirke besucht.
Darüber hinaus gelang Trump der Sieg trotz seines Zerwürfnisses mit dem lokalen evangelikalen Führer Bob Vander Plaats, dessen befürwortete Kandidaten jede Vorwahl in Iowa seit 2008 gewonnen hatten. Vander Plaats hatte dieses Jahr DeSantis favorisiert. Trump schwänzte alle Vor-Wahl-Veranstaltungen Vander Plaats – zweifelsohne eine enorme Respektlosigkeit. Nichtsdestotrotz konnte er auch die Stimmen der Evangelikalen für sich gewinnen.
Dies allein ist vielleicht der stärkste Beweis, dass Trump die Republikanische Partei eisern im Griff hat und die unbedingte Unterstützung der Basis genießt. Im Jahr 2016 hatte Trump in Iowa noch knapp verloren (ausgerechnet gegen Ted Cruz), vor allem wegen des Misstrauens, das er bei der evangelikalen Wählerschaft, die einen großen Teil der registrierten Republikaner in diesem Bundesstaat ausmacht, mit seinen Skandalen hervorgerufen hatte.
Doch nach vier Jahren Trump-Präsidentschaft hat sich die Meinung dieser erzkonservativen Wählergruppe verändert. Kein Wunder, hatte Trump doch beispielsweise drei Abtreibungsgegner zu Richtern des Obersten Gerichtshofs ernannt, die dazu beitrugen, dass Roe v. Wade im vergangenen Jahr gekippt wurde. Aus wiedergeborenen Christen sind somit wiedergeborene Trump-Anhänger geworden. Tatsächlich konnte Trump seine größten Zugewinne im Vergleich zu 2016 in den am stärksten religiös geprägten Gebieten Iowas verbuchen.
»Dieser Enthusiasmus der Trump-Anhänger ist auch von Bedeutung, wenn man bedenkt, wie sehr es Präsident Joe Biden an solchem Enthusiasmus und Unterstützung in seiner eigenen Partei mangelt.«
Doch Trump dominierte nicht nur bei den Evangelikalen. Nikki Haleys Basis im Bundesstaat fand sich in Gebieten mit wohlhabenderen und/oder höher ausgebildeten Menschen – aber bei beiden Gruppen lag sie dennoch hinter Trump. Ebenso gewann der frühere Präsident mit überwältigender Mehrheit bei den einkommensschwächeren Bevölkerungsgruppen und bei Menschen ohne College-Abschluss. Er konnte seine Zustimmungswerte in all diesen Gruppen gegenüber 2016 verbessern.
Umfragen direkt nach Wahlen sollten immer mit Vorsicht genossen werden, aber sie scheinen zu zeigen, dass Trump deutliche Mehrheiten bei Wählerinnen und Wählern über dreißig Jahren, Republikanern, Konservativen, Unabhängigen und in allen Bildungsschichten für sich verbucht. Das geht so weit, dass er sowohl der bevorzugte Kandidat derjenigen Wähler war, die ein grundsätzliches Abtreibungsverbot fordern, als auch derjenigen, die meinen, Schwangerschaftsabbrüche sollten legal bleiben.
Die niedrige Wahlbeteiligung, die wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass es der kälteste Vorwahl-Tag in Iowa jemals war, kann allerhöchstens als kleines Trostpflaster dienen. In Anbetracht der Wetterbedingungen und der daraus folgenden Wahlbeteiligung von 14,4 Prozent kann man fragen, wie aussagekräftig derartige Wahlen sind. Die Wahlbeteiligung war deutlich niedriger als bei den letzten drei Vorwahlen, die als besonders umkämpft galten. Andererseits: In den Jahren 2000 und 1996 lag die Wahlbeteiligung bei nicht viel höheren 15,6 beziehungsweise 16,7 Prozent.
»Ein ehrlicher Blick auf das Ergebnis von Montagabend sollte Trumps Gegner dennoch dazu bringen, nicht länger in einer Fantasiewelt zu leben.«
Es ist richtig, dass die Wahlbeteiligung vor allem in den städtischen Bezirken, in denen Trump üblicherweise schlechter abschneidet, niedrig war. Dadurch könnte das Gesamtergebnis etwas verzerrt worden sein. Allerdings deutet dies auch auf etwas sehr Unangenehmes hin: Einerseits gibt es eine recht passive und wenig engagierte Haltung des Anti-Trump-Flügels in der Republikanischen Partei und andererseits die glühende Leidenschaft der Trump-Wähler (»Ich wäre über’s Eis gekrochen, um hierher zu kommen«, sagte ein Wähler und offensichtlicher Trump-Fan der Washington Post).
Dieser Enthusiasmus der Trump-Anhänger ist auch von Bedeutung, wenn man bedenkt, wie sehr es Präsident Joe Biden an solchem Enthusiasmus und Unterstützung in seiner eigenen Partei mangelt.
Wer hofft, dass die aktuelle Vorwahlensaison Trump schädigen und vielleicht dazu führen könnte, dass er nicht Präsidentschaftskandidat der Republikaner wird, darf weiter hoffen: Da ist einerseits die besagte niedrige Wahlbeteiligung; außerdem gelten die Vorwahlen in Iowa für die Republikaner ohnehin als nicht sehr aussagekräftig, was die letztendliche Kür des Kandidaten angeht. Nun geht es in die nächsten Vorwahlen, zunächst in New Hampshire in der kommenden Woche. Es ist also nach wie vor alles möglich.
Ein ehrlicher Blick auf das Ergebnis von Montagabend sollte Trumps Gegner dennoch dazu bringen, nicht länger in einer Fantasiewelt zu leben – sowohl in Bezug auf das Wesen der heutigen Republikanischen Partei und die breitere konservative Bewegung als auch mit Blick darauf, wie der Präsidentschaftswahlkampf dieses Jahr aussehen wird.
Ironischerweise sind die zweitgrößten Gewinner des Wahltags Biden und sein Team. Schließlich hängt ihre gesamte Wahlstrategie bisher davon ab, dass Trump der Kandidat der Republikaner wird. Sie brauchen ihn, um diejenigen Demokraten zu motivieren, die Biden selbst nicht hinter dem Ofen hervorlocken kann. Außerdem hat die »Gefahr« einer zweiten Trump-Amtszeit es Biden – zumindest bisher – ermöglicht, einen weitgehend politikfreien Wahlkampf zu führen, der sich hauptsächlich darauf konzentriert, vor vier weiteren Jahren Chaos und Kriminalität zu warnen.
Das Ergebnis aus Iowa sollte für sie aber auch eine Warnung sein. Die Partei hat sich schließlich schon einmal mit ihrer Annahme geirrt, dass ein skandalbeladener Donald Trump von den republikanischen Wählerinnen und Wählern abgelehnt und so von der politischen Landkarte verschwinden würde. Die Demokraten könnten sich erneut irren, wenn sie glauben, dass Trumps Skandal-Ballast ausreicht, um Biden die Wiederwahl zu sichern.
Branko Marcetic ist Redakteur bei JACOBIN und Autor des Buchs »Yesterday’s Man: The Case Against Joe Biden«. Er lebt in Chicago, Illinois.