17. November 2025
Mit Catherine Connolly ist jetzt eine Linke Präsidentin von Irland. Ihr Wahlsieg hat gezeigt, dass eine prinzipienstarke Kampagne für Frieden und Gerechtigkeit das zynische Establishment schlagen kann, wenn sie aus bloßen Wählern aktive Wahlkämpfer macht.

Catherine Connollys Wahlsieg wurde von einer breiten Bewegung erkämpft.
Die Präsidentschaftswahlen in Irland Ende Oktober endeten mit einem deutlichen Sieg für die linke Kandidatin Catherine Connolly. Connolly erhielt mehr Gesamtstimmen sowie einen höheren Stimmenanteil als jeder andere Präsidentschaftskandidat in der Geschichte des irischen Staates. Dabei hatte es kurz zuvor noch so ausgesehen, als befinde sich die irische Linke im Niedergang und eine aufstrebende rechtsradikale Bewegung könne die politische Führung übernehmen.
Die Kommunal-, Europa- und Parlamentswahlen 2024 waren für die linken Parteien Irlands nicht gut verlaufen. Zwar gab es lokale Erfolge, doch insgesamt behielten die etablierten konservativen Parteien Fianna Fáil und Fine Gael die Macht. Mehr noch: Sie bildeten die politisch am weitesten rechtsstehende Regierung der jüngeren Vergangenheit, da sie sich mit der populistischen Rechten verbündeten und sich hauptsächlich darauf fokussierten, mit einer klassischen »Teile und herrsche«-Strategie Migrantinnen und Migranten zum Sündenbock für Probleme in Irland zu machen.
Die schlecht verlaufenen Wahlen führten zu erneuten Debatten über die Geschlossenheit der Linken und darüber, ob sich eine breitere Linke zusammenfinden kann, um nicht nur der konservativ geführten Regierung, sondern auch der wachsenden Bedrohung durch die radikale Rechte entgegenzutreten. Unter den linken Parteien und parteiunabhängigen Kräften begannen Gespräche über die Aufstellung einer gemeinsamen Kandidatin für die Präsidentschaftswahlen 2025. Zahlreiche Namen geisterten durch den Raum.
»Connolly galt als eine prinzipientreue und unabhängige Stimme, die die breitere Linke einen könnte mit einer Vision für eine irische Republik, die für Frieden, Gleichheit und Solidarität steht.«
Eine Woche vor der Sommerpause des Parlaments schienen sich diese Diskussionen weiter in die Länge zu ziehen; die Parteien hatten sich größtenteils noch nicht einmal intern geeinigt. Es gab die reale Gefahr, dass bis September keine Entscheidung getroffen werden würde – zu spät, um einen ernstzunehmenden Wahlkampf zu führen.
In diesem Moment trat Catherine Connolly vor und bekundete ihre klare Bereitschaft, zu kandidieren. People Before Profit, die Sozialdemokraten und eine Reihe unabhängiger linker Persönlichkeiten waren sich schnell einig, dass sie die stärkste Kandidatin wäre: Sie galt als eine prinzipientreue und unabhängige Stimme, die die breitere Linke einen könnte mit einer Vision für eine irische Republik, die für Frieden, Gleichheit und Solidarität steht. Diese ersten Unterstützer informierten umgehend die anderen Kräfte der Linken – in der Hoffnung, dass diese mitziehen würde.
Von Anfang an waren wir überzeugt, dass wir nur gewinnen können, wenn wir eine echte Bewegung aufbauen. Präsidentschaftswahlen in Irland sind stark auf individuelle Persönlichkeiten zugeschnitten. Die Wahlkämpfe sind von negativen Kampagnen, Medienberichten und den massiven Ressourcen der großen Parteien geprägt. Wir waren uns bewusst, dass wir weder mit den Wahlkampfbudgets von Fianna Fáil oder Fine Gael mithalten noch auf irische Zeitungen zählen konnten, um Connollys positive politische Botschaft zu verbreiten. Google und Meta untersagten ebenfalls politische Werbung auf ihren Seiten. Aber wir waren überzeugt, dass Organizing und organische Social-Media-Arbeit Erfolg bringen würden.
Ich wurde am Freitag vor der offiziellen Bekanntgabe Teil des Wahlkampfteams. Meine erste Aufgabe bestand darin, schnell eine Kampagnen-Website zu erstellen. Wir entschieden uns für Solidarity Tech – dieselbe Plattform, die das Team von Zohran Mamdani erfolgreich für die Bürgermeisterwahlkampagne in New York eingesetzt hat. Solidarity Tech wurde für einen einzigen Zweck entwickelt: Menschen zu organisieren, und nicht nur wie in einer Einbahnstraße zu ihnen zu senden. Dieser Fokus auf Organizing bestimmte alles, was danach kam.
»Bei den Anrufen, Umfragen und Koordinierungssitzungen der Kampagne ging es nicht nur um Logistik, sondern auch um Beziehungen. Mit jedem Gespräch wurde das Solidaritätsnetzwerk erweitert und gefestigt.«
Der erste Tag der Kampagne am 16. Juli verdeutlichte bereits die Kontraste, die diesen Wahlkampf prägen sollten. Auf der einen Seite standen der Zynismus und die Feindseligkeit des Establishments: Ein leitender Journalist der konservativen Zeitung Irish Independent wollte beispielsweise Unruhe auslösen, indem er behauptete, die »umstrittenen« Ex-Europaabgeordneten Clare Daly und Mick Wallace wären in einer Bar nahe unserer Büros gesehen worden und es sei möglich, dass sich Connolly mit ihnen treffen würde. Die implizite Botschaft war, dass hinter der Kampagne sozusagen »geheime Strippenzieher« stecken würden. Diese Story hatte ein gravierendes Problem: Sie war komplett falsch, denn schnell stellte sich heraus, dass die vermeintlichen »Strippenzieher« Daly und Wallace zu diesem Zeitpunkt gar nicht in Dublin waren!
Auf der anderen Seite stand Connolly: eine ruhig, sachlich und prinzipientreu auftretende Person. Sie sprach über Neutralität, Frieden und das allgemeine Wohlergehen der Menschen – und über die Kampagne als Bewegung, nicht als reines Wahlkampfteam. Allein an diesem ersten Tag meldeten sich über 2.000 Menschen freiwillig und spendeten mehr als 12.000 Euro. Diese Zahlen mögen im internationalen Vergleich gering erscheinen. Doch aufgrund der irischen Regeln zur Wahlkampffinanzierung sind die meisten Kandidaten fast ausschließlich auf bereits vorhandene Mittel ihrer Partei oder ihre persönlichen Ressourcen angewiesen. Jedenfalls sammelten wir an diesem einzigen Tag fast dreimal so viel Gelder wie der Sinn-Féin-Kandidat Martin McGuinness an Basis-Spenden für die Wahl 2011 erhalten hatte. Tatsächlich waren es die höchsten gemeldeten Spenden für eine unabhängige Kandidatin jemals.
Die Medien hatten es noch nicht erkannt, dabei war bereits offensichtlich: Das hier wird mehr als eine reine Wahlkampfkampagne. Es war die Geburt einer Bewegung.
Um diese Energie in Wirkkraft umzuwandeln, mussten wir organisieren wie nie zuvor. Wir haben aus sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und früheren Wahlkämpfen wie denen von Bernie Sanders in den USA und Jeremy Corbyn im Vereinigten Königreich gelernt. Wenn Menschen die größte Ressource sind, die man hat, ist Organizing die wichtigste Aufgabe.
Wir haben sofort eine Umfrage unter Freiwilligen gestartet, um zu erfahren, wer sich beteiligen will, welche Skills sie mitbringen und wie sie helfen wollen. Innerhalb weniger Tage begannen wir mit Telefonanrufen – nicht, um Spenden zu sammeln oder ein Skript runterzurasseln, sondern um mit Menschen zu sprechen, mit ihnen in Kontakt zu treten und sie zu unserer ersten Online-Kundgebung einzuladen. In dieser ersten Woche hatten wir bereits mehr als hundert geschulte Anrufer, die über tausend potenzielle Unterstützer erreichten und eine große Online-Rally organisierten.
»Es war in jeder Hinsicht eine von Menschen getragene Kampagne: Sie wurde von gewöhnlichen Unterstützern finanziert, personell besetzt und stetig vorangetrieben.«
Bei den Anrufen, Umfragen und Koordinierungssitzungen der Kampagne ging es nicht nur um Logistik, sondern auch um Beziehungen. Mit jedem Gespräch wurde das Solidaritätsnetzwerk erweitert und gefestigt. Die Freiwilligen begannen, sich lokal zu vernetzen und bildeten individuelle Gruppen in jedem Wahlkreis. Wir starteten mit einer Whatsapp-Gruppe, die schnell die Grenze von 2.000 Mitgliedern erreichte, sodass wir Regionalgruppen und Dutzende von lokalen Chats einrichten mussten. Diese wurden zum lebendigen, pulsierenden Herzen der Kampagne.
Im August konzentrierten wir uns darauf, Teams aufzubauen und uns auf die nächste Phase vorzubereiten. Connolly reiste ununterbrochen durch das ganze Land. Die Unterstützung durch die Labour Party war für die Medien ein Zeichen für die wachsende Dynamik der Kampagne. Neue Interessengruppen wie Students for Connolly, Gaeilgeoirí ar son Connolly (Gälischsprachige für Connolly) und Artists for Connolly halfen uns dabei, noch mehr Aktivistinnen und Aktivisten in ihren jeweils eigenen Aktivitätsbereichen zu gewinnen.
Im September ging es in die nächste Phase. Lokale Gruppen begannen, Straßenstände, Pub-Quizes und Konzerte zu organisieren. Wir führten Schulungen zur Wählerwerbung durch und erarbeiteten unsere Leitfäden zur Wähleransprache. Die Gaeilgeoirí und die Studierendengruppen hielten ihre eigenen Auftaktveranstaltungen ab. Die Gewerkschaften begannen, ihre Unterstützung zu bekunden – das Ergebnis sorgfältiger Beziehungsarbeit.
Unser Aufruf »Sponsor a Poster« sorgte für eine weitere Welle von Kleinspenden. Es war in jeder Hinsicht eine von Menschen getragene Kampagne: Sie wurde von gewöhnlichen Unterstützern finanziert, personell besetzt und stetig vorangetrieben. Auch unser zentrales Organisationsteam wuchs rasch. Wir mieteten ein Büro; Freiwillige übernahmen die Verantwortung für soziale Medien, Fundraising, regionale Arbeit, Presse, politische Kontakte und vieles mehr.
Der dritte Teil der Kampagne begann mit einer Kundgebung im September, wo auch unsere Wahlwerbekampagne offiziell gestartet wurde. Auf der Wahlkampf-Website wurden Veranstaltungen im ganzen Land aufgelistet, um potenzielle Unterstützer mit lokalen Initiativen in ihrer Nähe zu vernetzen. Die offizielle Unterstützung von Sinn Féin für Connolly wenige Tage zuvor gab einen weiteren willkommenen Schub. Somit war die gesamte Linke vereint – und die Skepsis einiger Medienvertreter widerlegt, die bezweifelt hatten, dass eine solche Einigkeit möglich sei.
»In Zeiten von wachsender Isolation und Doomscrolling wirkte es fast schon außergewöhnlich, sich mit seinen Nachbarn zusammenzuschließen, um für etwas zu kämpfen, das größer ist als man selbst.«
Unterdessen lief unsere Social-Media-Kampagne auf Hochtouren. Eine Handvoll viraler Momente und gut produzierte Videos sorgten für Aufsehen. Noch wichtiger war, dass unsere Channels konsequent die Leidenschaft und Dynamik der Kampagne zeigten. Weitere Interessengruppen und Spezialveranstaltungen wurden von Wohnungsbauaktivisten, Menschen mit Behinderungen und Pflegekräften organisiert; jede Gruppe produzierte eigene Social-Media-Inhalte und Botschaften, um ihre jeweilige Community zu erreichen.
Die erste TV-Debatte war ein wichtiger Wendepunkt. Catherine überstrahlte die anderen Kandidaten und wirkte dabei besonnen, prinzipientreu und authentisch. Viele Wählerinnen und Wähler, die zuvor wenig von ihr mitbekommen hatten, wussten nun Bescheid. Dies veränderte die Dynamik des Wahlkampfs. Mit Podcast-Auftritten im September konnte sie ihre politischen Ideen ausführlicher erläutern, frei von den oberflächlich-kurzen Soundbites in den »traditionellen« Medien.
Im Oktober gründeten wir ein besonderes Wahlkampfteam, das Menschen motivieren sollte, von Tür zu Tür zu gehen und zu werben. Wir starteten die »Super Saturdays«: landesweite Aktionstage, an denen Tausende von Freiwilligen teilnahmen. Die Energie war elektrisierend. In Zeiten von wachsender Isolation und Doomscrolling wirkte es fast schon außergewöhnlich, sich mit seinen Nachbarn zusammenzuschließen, um für etwas zu kämpfen, das größer ist als man selbst. Am Ende hatten über 8.000 Menschen in irgendeiner Form an den Aktionen teilgenommen.
In der letzten Woche vor den Wahlen ging es darum, zum Urnengang aufzurufen. Da hieß es: Get Out the Vote (GOTV). Youth for Connolly organisierte eine große GOTV-Veranstaltung und eine groß angelegte Werbekampagne. Wir hielten unsere letzte große Rally ab, diesmal in Galway. Ein letzter Flyer, der die Menschen zur Wahl aufforderte, wurde an Haushalte im ganzen Land verteilt. Freiwillige waren überall im Einsatz, erinnerten die Menschen daran, zur Wahl zu gehen, boten Fahrdienste an und schufen das Gefühl, eine gemeinsame Aufgabe und ein gemeinsames Ziel zu haben. Diese Euphorie hielt bis zum Wahltag an.
Aus der Connolly-Kampagne lassen sich viele Lehren ziehen, aber eine sticht besonders hervor: Es braucht Einheit und nachhaltiges Organizing. Aus diesem Grund haben viele von uns, die im Wahlkampf mitgearbeitet haben, KeepLeft.ie ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk aus dem gesamten linken Spektrum, das sich für den Aufbau von Solidarität und gemeinsame Kampagnen einsetzt, um Connollys Vision einer neuen Republik und einer linken Regierung, die dies auch umsetzen kann, zu verwirklichen.
»Die radikale Rechte nährt sich von Verzweiflung und Spaltung. Wir müssen in genau den Gemeinden, in denen diese Kräfte Fuß fassen wollen, gut verwurzelte Bewegungen aufbauen.«
Die Connolly-Kampagne war erfolgreich, weil sie sich auf vitale Bewegungen stützte und auf Gruppierungen, die sich im Zuge von Aktionen von Studenten, Mieterinnen, Frauen, LGBTQ+-Personen, Menschen mit Behinderungen und insbesondere durch Kampagnen rund um Palästina und die irische Neutralität entwickelt hatten. Die Linke muss diese Kämpfe nun weiterführen: Wir müssen die Umsetzung des Occupied Territories Bill fordern, uns gegen Angriffe auf Irlands Triple Lock [drei Kriterien, bevor die irische Armee außerhalb der Landesgrenzen eingesetzt werden darf] wehren und auf ein Referendum zum Schutz der irischen Neutralität drängen.
Ebenso müssen wir uns weiterhin auf die wirtschaftliche Front konzentrieren und uns in den Themenbereichen Wohnraum, Mieten und Lebenshaltungskosten einsetzen. Die radikale Rechte nährt sich von Verzweiflung und Spaltung. Wir müssen in genau den Gemeinden, in denen diese Kräfte Fuß fassen wollen, gut verwurzelte Bewegungen aufbauen und mit Gruppen wie der Community Action Tenants Union und Gewerkschaftsverbänden zusammenarbeiten, um den Menschen eine echte Alternative zu bieten.
Wir müssen uns auch politisch vorbereiten. Anstatt Deals mit Fianna Fáil oder Fine Gael anzustreben, müssen sich linke Parteien und Unabhängige auf einen »Vote Left, Transfer Left«-Pakt für die nächsten Parlamentswahlen einigen. Dies könnte die Grundlage für eine breite, optimistische Bewegung bilden, die nicht nur langfristig gegen Fianna Fáil und Fine Gael mobilisiert, sondern auch für ein anderes Irland.
Eine weitere wichtige Lehre aus der Kampagne ist, dass auch die Kultur eine Rolle spielt. Musik, Kunst, Humor und Kreativität waren für die Connolly-Kampagne von entscheidender Bedeutung und schufen ein Gefühl der Gemeinschaft und der gemeinsamen Ziele.
»Eine Wahl zu gewinnen, ist nur der Anfang. Um die Herrschaft der Milliardärsklasse wirklich anzugreifen, brauchen wir eine Bewegung, die organisiert und politisiert ist und die in jeder Gemeinde, an jedem Arbeitsplatz und in jeder Gewerkschaft fest verankert ist.«
Die linke Welle im Europa der 2010er Jahre war inspirierend. Viele fragen sich, wie diese sich in der heutigen düsteren Medienlandschaft wiederholen könnte, nachdem Elon Musk Twitter übernommen hat, algorithmische Kontrollmechanismen eingeführt wurden und die extreme Rechte deutlich an Einfluss gewinnt. Die Siege von Kandidaten wie Connolly und Mamdani zeigen, dass es immer noch möglich ist. Der Weg mag schwieriger geworden sein, aber er ist immer noch gangbar.
Ja, Social Media ist hilfreich. Ja, Podcasts sind hilfreich. Aber nichts davon funktioniert ohne solidarische Netzwerke und Aktivistengruppen, die einzelne Momente in Bewegungen verwandeln können. Eine Wahl zu gewinnen, ist nur der Anfang. Um die Herrschaft der Milliardärsklasse wirklich anzugreifen, brauchen wir eine Bewegung, die organisiert und politisiert ist und die in jeder Gemeinde, an jedem Arbeitsplatz und in jeder Gewerkschaft fest verankert ist.
Cian Prendiville leitete das digitale Organizing während Catherine Connollys Wahlkampf. Er ist außerdem im RISE-Netzwerk sowie bei People Before Profit aktiv.