03. Februar 2025
Ob Trump, Orbán, Meloni oder Milei: Weltweit erobern immer mehr Rechte die Regierungsführung. Nach ihren Erfolgen im Inland setzen sie nun alles daran, ihre globale Hegemonie aufzubauen.
Argentiniens Präsident Javier Milei und die italienische Staatschefin Giorgia Meloni bei der Amtseinführung Donald Trumps, Washington, 20. Januar 2025.
Im Scruton Café in Budapest dürfte die Stimmung nach Donald Trumps Wahlsieg im vergangenen November prächtig gewesen sein. Das Café ist nach dem englischen Philosophen Roger Scruton benannt, der von amerikanischen wie europäischen Rechten gleichermaßen verehrt wird. Es spielte auch eine wichtige Rolle in der Vice-Dokumentation »America and Hungary, a Far-Right Love Affair«. Dort wird es als beliebter Treffpunkt gezeigt, an dem rechte Denker aus aller Welt zusammenkommen und ihre konservativen Parolen wiederkäuen.
Ungarn unter Regierungschef Victor Orbán wird von den Rechten oft als Beleg dafür angeführt, dass eine illiberale Zukunft tatsächlich möglich ist. Doch Budapest ist bei weitem nicht die einzige Hauptstadt, in der rechtsradikale Populisten und Politikerinnen nach den US-Wahlen hoffnungsvoll in die Zukunft blicken: Von Rom bis Buenos Aires, von San Salvador bis Neu-Delhi sind die rechten Führungen ähnlich optimistisch, dass mit einem Gleichgesinnten wie Donald Trump an der Spitze der USA ein illiberaler Umbau der Weltpolitik in greifbare Nähe rückt.
Zunächst einmal zeigt Trumps Rückkehr, dass ein gewisser Personenkult bei Wahlen in Demokratien eine immense Anziehungskraft erzeugen kann. Trump hat sich selbst als der ebenso geradlinige wie hartgesottene »Außenseiter« inszeniert, dessen Geduld für das Geschwafel der Washingtoner Karrierepolitiker am Ende ist. Als Alternative dazu präsentiert er sich als zielstrebiger Führer, der bereit ist, im Namen der nationalen Sache alle politischen Normen und etablierten demokratischen Mechanismen beiseitezuschieben. Dieses Modell diente auch als Inspiration für Argentiniens Präsident Javier Milei oder Nayib Bukele in El Salvador.
Der impulsive Ökonom und selbsternannte Anarchokapitalist Milei kam mit seiner sogenannten »Kettensägenpolitik« an die Macht: Er wolle den angeblich überbordenden Staat zerschlagen und das Land vor einer schweren Finanzkrise retten. Weltberühmt wurde er durch ein TikTok-Video aus dem Jahr 2023, in dem er die Namen diverser Regierungsbehörden – darunter die Ministerien für Kultur, Umwelt sowie Frauen, Gleichstellung und Vielfalt – von einem Whiteboard abreißt und dann jeweils »afuera« (»raus damit«) brüllt.
»Bukeles Zustimmungsrate liegt bei etwa 90 Prozent. Für seine Fans ist er ›der coolste Diktator der Welt‹.«
Seine Showeinlagen auf Wahlkampfveranstaltungen, zu denen er oft eine Kettensäge mitbrachte, zeigten Wirkung. Nach seinem Wahlsieg und Amtsantritt hat Milei sein Versprechen gehalten und die Kettensäge an den öffentlichen Sektor angesetzt. Leidtragende sind die ärmsten Menschen in Argentinien: Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist unter die Armutsgrenze gerutscht; 18 Prozent leben aktuell in extremer Armut.
In El Salvador konnte Bukele die Macht übernehmen, nachdem er sich in ähnlicher Weise als politischer Außenseiter mit Rockstar-Potenzial präsentiert hatte. Bukele versprach, die Bandengewalt im Land kompromisslos zu bekämpfen. Seine Politik der »mano dura« (»eiserne Faust«) hat dazu geführt, dass ein Prozent der Gesamtbevölkerung, darunter rund 3.000 Kinder, in festungsähnlichen Mega-Gefängnissen inhaftiert sind.
Laut Amnesty International beinhaltete Bukeles Kreuzzug gegen die Banden »massive Menschenrechtsverletzungen, darunter Tausende willkürliche Verhaftungen und Verstöße gegen das Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren sowie Folter und Misshandlungen«. Trotzdem liegt Bukeles Zustimmungsrate bei etwa 90 Prozent. Für seine Fans ist er »der coolste Diktator der Welt«.
Neben Trumps autoritärem Führungsstil kommt auch seine »Anti-Woke-Agenda« bei der globalen Rechten gut an. So behauptete er einst, die Universitäten würden von »Marxisten, Verrückten und Wahnsinnigen« dominiert, und versprachen, Antidiskriminierungs- sowie Gleichstellungsmaßnahmen aufzuheben.
In dieser Hinsicht sieht sich Ungarns Premier Viktor Orbán als Vorreiter. Schon auf der Conservative Political Action Conference (CPAC) 2023 in Budapest prahlte er: »Ungarn ist im Prinzip ein Experimentierfeld, auf dem die Zukunft konservativer Politik erprobt wird. Ungarn ist der Ort, an dem wir nicht nur davon gesprochen haben, die Progressiven und Liberalen zu besiegen und eine konservative christliche politische Wende herbeizuführen. Wir haben [diese Wende] tatsächlich geschafft.«
Auf einem Schild über dem Eingang zum Veranstaltungsort war »No Woke Zone« zu lesen. Vermeintlich »woke Journalisten« durften der Konferenz nicht beiwohnen.
2021 verbot die Orbán-Regierung die »Darstellung von Homosexualität oder Geschlechtsumwandlung« in Medienprogrammen, die sich an Kinder unter 18 Jahren richten. Ebenso sind Verweise auf Homosexualität im Sexualkundeunterricht an Schulen verboten.
Die ungarischen Behörden haben außerdem ein Gesetz eingeführt, das sich gegen ausländische Universitäten richtet. Dadurch sah sich unter anderem die von George Soros finanzierte Central European University (CEU) gezwungen, das Land zu verlassen. Tatsächlich zielte das Gesetz primär auf die CEU ab, da sie als liberales Zentrum für Orbán-kritisches Denken galt.
In Trumps Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie sehen sich die rechten Vorreiter in ihrer Weltanschauung ebenfalls bestätigt. Trump hat versprochen, Migrantinnen und Migranten ohne Papiere massenhaft zu verhaften und abzuschieben. Zuvor hatte er unter anderem fälschlicherweise behauptet, in New Jersey hätten Muslime die Anschläge vom 11. September gefeiert. Er forderte darüber hinaus zusätzliche Überwachung muslimisch-amerikanischer Bürger und verabschiedete in seiner ersten Amtszeit das berüchtigte Einreiseverbot (»Muslim travel ban«).
»Orbán hat sich zum Retter der europäisch-christlichen Zivilisation stilisiert. Der einzige Weg, Europa ›sicher‹ und ›christlich‹ zu halten, sei seine drakonische Anti-Migrationspolitik.«
All das dürfte Leuten wie Orbán oder der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bekannt vorkommen: Die beiden führen die europäische Anti-Migrationsbewegung an. Meloni hat ein »Recht auf Nicht-Migration« ins Gespräch gebracht. Sie möchte die ihrer Meinung nach illegale Einwanderung eindämmen, indem sie die europäischen Grenzkontrollen an Nicht-EU-Länder auslagert. Ihre rechtsradikale Politik präsentiert sie als Modell, dem andere europäische Staats- und Regierungschefs folgen sollten. Kritikerinnen bezeichnen Melonis Pläne hingegen als »entmenschlichend und illegal«. Orbán hat sich seinerseits zum Retter der europäisch-christlichen Zivilisation stilisiert. Er wettert gegen die Einreise angeblich terroristischer und kulturfremder muslimischer Migranten nach Europa. Der einzige Weg, Europa »sicher« und »christlich« zu halten, sei die von ihm praktizierte drakonische Anti-Migrationspolitik.
Tausende Kilometer entfernt in Neu-Delhi würde der hindu-nationalistische Premierminister Narendra Modi den Aussagen Melonis, Orbáns und Trumps sicherlich zustimmen. Unter seiner Führung haben antimuslimische Rhetorik und Gewalt in Indien ein Allzeithoch erreicht.
Mitglieder von Modis Partei waren an der Zerstörung von Häusern muslimischer Aktivisten beteiligt; mehrere Parteivertreter riefen zum Boykott muslimischer Unternehmen auf. Die Regierung Modi brachte 2019 den Citizenship Amendment Act auf den Weg, laut dem Migranten ohne Papiere aus Afghanistan, Bangladesch und Pakistan nur dann das Recht auf eine beschleunigte Einbürgerung haben, wenn sie nicht muslimisch sind. Kritische Journalistinnen und Journalisten wurden mit erlogenen Terrorismusvorwürfen überzogen, zivilgesellschaftliche Organisationen beschuldigt, unrechtmäßig ausländische Gelder zu erhalten.
Natürlich finden all diese illiberalen Entwicklungen nicht abgeschottet im jeweiligen nationalen Kontext statt. Die Trumps, Modis, Orbáns, Melonis und Bukeles dieser Welt sind sich der Existenz der jeweils anderen überaus bewusst und arbeiten beständig daran, globale Allianzen zu schmieden.
Elon Musk – der unter Trump nun das sogenannte Department of Government Efficiency (DOGE) leitet – bezeichnet sich selbst als großer Fan von Mileis »Kettensägenpolitik«. Auch Trump und Milei pflegen eine offenbar innige Beziehung. Nachdem Milei die Wahl in Argentinien gewonnen hatte, gratulierte ihm Trump über seine Plattform Truth Social: »Ich bin sehr stolz auf Sie. Sie werden Ihr Land verändern. Machen Sie Argentinien great again!« Im Gegenzug war Milei der erste ausländische Staatschef, der nach den US-Wahlen im November mit Trump zusammentraf. Bei Trumps Amtseinführung war er ebenfalls zu Gast.
Der salvadorianische Staatschef Bukele hatte seinerseits im September ein medial viel beachtetes Treffen mit Musk. Unter Orbán war Ungarn derweil Gastgeber von drei internationalen CPAC-Treffen, bei denen Redner wie der niederländische Politiker Geert Wilders, die rechte Aktivistin Candace Owens, der republikanische Kongressabgeordnete Andy Harris und Eduardo Bolsonaro, der Sohn des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, auftraten. Darüber hinaus hielt Orbán die Eröffnungsrede auf dem CPAC-Gipfeltreffen 2022 in Dallas. Seit seinem Wahlsieg soll Trump mehrere Telefonate mit dem ungarischen Staatschef geführt haben, um dessen Rat und Ansichten zum Ukraine-Krieg einzuholen. Orbán selbst hat sich wiederholt kritisch zur Militärhilfe für die Ukraine geäußert und pflegt weiterhin freundschaftliche Beziehungen zu Wladimir Putin.
Auch Indiens Premier Modi ist bei rechten Politikern auf der ganzen Welt beliebt. Trump und Modi haben zwei gemeinsame »Megarallies« abgehalten: »Howdy Modi« in Houston 2019 und »Namaste Trump« in Ahmedabad 2020. Beide haben die politischen Leistungen des jeweils anderen in höchsten Tönen gelobt. Trump nennt Modi liebevoll seinen Freund; der indische Regierungschef »sieht aus wie Dein Papa«, sei aber auch »ein absoluter Killer«.
Meloni und Modi versuchen nach eigenen Angaben, die indisch-italienischen Beziehungen »in den Bereichen Verteidigung, Sicherheit, Handel und Technologie« zu stärken. Und auf EU-Ebene ziehen Meloni und Orbán in puncto Migrationspolitik selbstverständlich an einem Strang. 2025 dürfte das bisher beste Jahr für die weltweite Verbrüderung illiberaler, konservativer und rechtsradikaler Politikerinnen und Politiker werden.
Somdeep Sen lehrt Internationale Beziehungen an der Universität Roskilde. Er ist Autor des Buchs »Decolonizing Palestine: Hamas Between the Anticolonial and the Postcolonial«.