30. Oktober 2024
Donald Trump könnte in wenigen Tagen wieder Präsident der USA werden. Seine wirtschaftspolitischen Pläne sind eine Kampfansage: Er will die globale Konkurrenz mit Strafzöllen in die Knie zwingen und die Einkommenssteuer komplett abschaffen.
Donald Trump nimmt an der Veranstaltung »Building America's Future« teil in Drexel Hill, Pennsylvania, 29. Oktober 2024.
Es ist nicht einfach vorherzusagen, wie Donald Trumps Wirtschaftspolitik in der Praxis aussehen wird, sollte er eine zweite Amtszeit als US-Präsident antreten. Schließlich schießt er meist mit jeder Theorie oder Idee los, die ihm gerade in den Sinn kommt. Im finanzpolitischen Bereich warb er zuletzt vor allem mit der Idee »keine Steuern auf Trinkgelder« (die Kamala Harris schnell plagiierte).
Bezeichnend für Trumps Wankelmütigkeit ist seine Kehrtwende beim Thema Kryptowährungen. Sechs Monate nach Ende seiner Amtszeit im Jahr 2021 kritisierte er Bitcoin als »Betrug« und als »eine weitere Währung, die mit dem Dollar konkurriert«. Seiner Ansicht nach müsse Letzterer »die Währung der Welt« sein. Bereits einige Jahre zuvor hatte er erklärt, die Krypto-Branche sei von Kriminalität geprägt und basiere »auf nichts als Luft«. Doch die Dinge ändern sich: Bei einer Bitcoin-Veranstaltung im Juli 2024 in Nashville schmeichelte der Ex-Präsident den Konferenzteilnehmern als »Menschen mit hohem IQ« und sah Kryptowährungen gar als ein »Wunder der Menschheit«. Er versprach, er werde die Währungen »in die Höhe schießen lassen wie nie zuvor, sogar über eure Erwartungen hinaus«. Und er fantasierte sogar davon, die US-amerikanischen Staatsschulden (aktuell bei 35 Billionen Dollar) mit Bitcoin (aktueller Gesamtwert etwa 1,1 Billionen Dollar) zu tilgen.
Zweifellos erhofft sich Trump von solchen Aussagen Wählerstimmen aus der Crypto-Crowd. Noch wichtiger sind die Wahlkampfspenden der Tech-Gewinner, die ohnehin bereits große Summen in die Politik investieren. Was Trumps Meinung zum Thema Krypto wirklich veränderte, waren aber »schmeichelhafte Bilder von ihm selbst«, heißt es in einem Artikel von Bloomberg: »Einfach ausgedrückt, er verliebte sich in Trump-[NFTs] – und die Fans, die sie kauften. Diese Liebe hat sich zu einer tiefergehenden Wertschätzung für die Branche entwickelt. Das sagen jedenfalls Insider, die Trumps Entwicklung beim Thema Krypto beobachtet haben.«
Im Mittelpunkt von Trumps Wirtschaftsagenda stehen niedrigere Steuern und Deregulierung – was es für viele Kapitalisten einfacher macht, über seine Unbeständigkeit und geschmacklosen Ausfälle hinwegzusehen. Eine zweite Amtszeit von Trump würde mit Sicherheit Steuersenkungen und verstärkte Deregulierung bedeuten, wobei die Details, wie bei Trump üblich, derzeit schwer zu fassen sind.
Um es kurz zu machen: Seine angedachten Steuerpläne sind abgedreht. Im Frühjahr schlug er zunächst einen pauschalen Zollsatz von zehn Prozent auf alle Importe sowie Zölle in Höhe von 60 Prozent auf chinesische Einfuhren vor. Gleichzeitig solle die Einkommenssteuer gesenkt werden. Laut einem vom Peterson Institute for International Economics veröffentlichten Paper würden mit diesem Paket die Haushaltseinkommen nach Steuern für Haushalte in der ärmeren Hälfte der Bevölkerung um etwa 3,5 Prozent sinken; der Durchschnittshaushalt hingegen etwas entlastet: um 2,7 Prozent oder rund 1.700 US-Dollar jährlich.
Das war offensichtlich nicht radikal genug: Bei einem Treffen mit republikanischen Kongressabgeordneten im Juni schlug Trump daher vor, die Einkommenssteuer ganz abzuschaffen und durch deutlich höhere Zölle zu ersetzen. Das würde dem finanzpolitischen Usus des 19. Jahrhunderts ähneln, als Zölle 80 bis 90 Prozent des gesamten Einkommens des US-Staatshaushalts ausmachten und es keine Einkommenssteuer gab. Allerdings war der Bundeshaushalt damals, abgesehen von gelegentlichen Kriegsausgaben, auch sehr überschaubar und benötigte dementsprechend nicht viele Einnahmen. Das gilt seit rund einem Jahrhundert nicht mehr.
»Eine Prognose des Peterson Institute zum Trump-Vorschlag ergab, dass im Endeffekt neun Prozent der Einkommen des ärmsten Fünftels der Bevölkerung sowie fünf Prozent beim mittleren Fünftel wegfallen würden, während das Einkommen des obersten einen Prozents um 14 Prozent steigen würde.«
Wie würden also die Staatseinnahmen bei einem Wandel à la Trump aussehen? Zunächst einmal wären sie deutlich niedriger als bisher. Die Einkommenssteuern stehen aktuell für fast die Hälfte der gesamten Bundeseinnahmen (die Unternehmenssteuern, die Trump weiter senken will, machen derzeit weitere neun Prozent aus.) Die bestehenden Einfuhrabgaben, die sich technisch gesehen von Zöllen unterscheiden, tragen weniger als zwei Prozent bei.
Grobe Berechnungen zeigen, dass 60-prozentige Zölle auf chinesische Importe sowie die versprochenen zehnprozentigen Zölle auf alle anderen Einfuhren nicht einmal annähernd die verlorenen Einnahmen aus der wegfallenden Einkommenssteuer ersetzen würden: Eine Simulation deutet darauf hin, dass das Trump-Paket Einnahmen in Höhe von lediglich 28 Prozent der heutigen Einnahmen bieten würde. Das Defizit im Staatshaushalt würde sich verdoppeln. Zeitgleich ist sehr schwer vorstellbar, dass Ausgabenkürzungen als Ausgleich zu den einbrechenden Einnahmen in einer entsprechenden Größenordnung politisch durchsetzbar wären.
Darüber hinaus wird in diesen Simulationen davon ausgegangen, dass die Importe trotz höherer Zölle unverändert bleiben, was in der Realität natürlich nicht der Fall wäre. Auch die verteilungspolitischen Folgen beim Wechsel von einer progressiven Einkommenssteuer auf eine regressive Verbrauchssteuer (was Zölle letztlich sind) werden nicht oder nur teilweise berücksichtigt. Eine Prognose des Peterson Institute zum Trump-Vorschlag ergab, dass im Endeffekt neun Prozent der Einkommen des ärmsten Fünftels der Bevölkerung sowie fünf Prozent beim mittleren Fünftel wegfallen würden, während das Einkommen des obersten einen Prozents um 14 Prozent steigen würde.
Trump hat ein Zoll-Faible. Er hatte bereits jahrelang für mehr Zölle geworben, bevor er sie schließlich im März 2018 in Form von Abgaben auf Stahl- und Aluminiumimporte aus den meisten Ländern sowie 2018/2019 auf weitere Importgüter aus China in vier Stufen umsetzte. Unter anderem führte er außerdem hohe Zölle auf Solarmodule und Waschmaschinen ein. Die Metallzölle wurden von amerikanischen Stahlarbeitern zunächst begrüßt, aber das Ergebnis war nicht annähernd so, wie Trump und seine Anhängerschaft es sich erhofft hatten. Entgegen den Erwartungen blühten Beschäftigung und Produktion in den Vereinigten Staaten nicht auf. Stattdessen führten die Zölle vor allem zu Vergeltungsmaßnahmen seitens Chinas, die die amerikanischen Agrarexporte empfindlich trafen.
Es ist nicht gänzlich klar, wer die Kosten letztlich schultert. Trump-Fans würden argumentieren, Zölle gingen vor allem zulasten exportierender Firmen und Länder, aber diese Ansicht ist nicht weitverbreitet. Tatsächlich zeigen die meisten Studien, dass gerade die heimischen Käufer importierter Waren getroffen werden (wobei es aber Meinungsverschiedenheiten darüber gibt, wie viel der gestiegenen Kosten genau in höheren Preisen weitergegeben werden). Ein Arbeitspapier des National Bureau of Economic Research aus dem Jahr 2020 kam, wie frühere Studien auch, jedenfalls zum Schluss: »Die [Kosten der] US-Zölle werden weiterhin fast ausschließlich von US-Firmen und Verbrauchern getragen.« Die Autoren stellten fest, dass nicht-chinesische Hersteller ihre Preise gesenkt hatten, um sich US-Marktanteile zu sichern. Dies sei zwar »eine gute Nachricht für US-Firmen, die Stahl nachfragen, aber eine schlechte Nachricht für Arbeiter, die hofften, dass die Stahlzölle Arbeitsplätze zurückbringen würden«. Denn die US-Stahlproduktion stieg »zwischen dem dritten Quartal 2017 und dem dritten Quartal 2019 trotz der 25-prozentigen Stahlzölle nur um zwei Prozent pro Jahr«.
Mark Zandi, Chefökonom von Moody’s Analytics, schätzte 2019, dass die Zölle die Vereinigten Staaten nach einem Jahr rund 88 Milliarden Dollar sowie 340.000 Arbeitsplätze gekostet hatten. Schätzungen mögen mit Vorsicht genossen werden; aber fast jeder, der sich mit dem Thema befasst hat, ist zu ähnlichen Ergebnissen gekommen – und nur wenige zum gegenteiligen Schluss. Wenig überraschend sprach das Trump-Lager unter der Leitung des Ökonomen Larry Kudlow – der mit seinen Einschätzungen geradezu immer falschliegt – von wirtschaftlichen Zugewinnen, die jedoch nicht belegt werden konnten.
»Die Zölle haben weder zu ausgeglicheneren Handelsbeziehungen mit China geführt, noch die US-Beschäftigungszahlen erhöht.«
In jedem Fall war die chinesische Reaktion schmerzhaft. In einem Artikel von Bloomberg vom Dezember 2019 über die Folgen des Handelskrieges wurde als Beispiel für Kollateralschäden der Fall von Northwest Hardwoods angeführt, einem Holzexporteur, der infolge der Zoll-Vergeltungsmaßnahmen Chinas einen Auftragsrückgang von 40 Prozent erlitt. Das Unternehmen schloss mehrere Werke und entließ Angestellte. Auch Landwirte waren stark betroffen: Ein Jahr nachdem Trump im Juli 2018 den Handelskrieg an der Agrarfront eröffnet hatte, erklärte ein Vertreter der American Farm Bureau Federation gegenüber The Hill, US-Landwirte hätten »den Großteil des einst 24 Milliarden Dollar schweren Marktanteils in China verloren«.
Die Zölle haben weder zu ausgeglicheneren Handelsbeziehungen mit China geführt, noch die US-Beschäftigungszahlen erhöht. Von 2016, also dem Jahr vor Beginn der Handelskriege, bis 2019 (kurz bevor die Coronavirus-Pandemie alles zum Erliegen brachte), gingen die US-Importe aus China um drei Prozent zurück, die Exporte jedoch um acht Prozent. Und während die gestiegenen Preise für Importe aus China deren Absatz tatsächlich leicht dämpften, wurde die Nachfrage nicht mit heimischer Produktion gedeckt, sondern lieber auf andere Exporteure wie Vietnam ausgewichen. Insgesamt stiegen die realen Exporte von Anfang 2017 bis Ende 2019 (von Trumps Amtsantritt bis kurz vor Ausbruch der Pandemie) um 4,8 Prozent, die realen Importe um 5,3 Prozent und das US-amerikanische Handelsdefizit um 7,6 Prozent.
Hinzu kommt: Die Metallindustrie macht nur einen sehr geringen Teil der US-Beschäftigungszahlen aus; und die Zölle hatten keine sichtbaren Auswirkungen auf diese Daten. Sowohl in der Stahl- als auch in der Aluminiumindustrie kam es in den 1990er und 2000er Jahren zu einem starken Beschäftigungsrückgang (Stahl um 55 Prozent und Aluminium um 50 Prozent, während die Gesamtbeschäftigung um 19 Prozent stieg), aber danach stabilisierten sich die Zahlen auf sehr niedrigem Niveau. Im Februar 2010, als die Beschäftigung im Zuge der Finanzkrise ihren Tiefpunkt erreichte, machten Eisen und Stahl 0,06 Prozent der US-Gesamtbeschäftigung aus. Im März 2018 (dem Monat, in dem die Zölle angekündigt wurden) stand die Branche nach wie vor für 0,06 Prozent der Gesamtbeschäftigung. Im Februar 2020, kurz vor der Pandemie, lag diese Zahl erneut bei 0,06 Prozent. Und im Juni 2024 lag sie immer noch bei 0,06 Prozent. Eine ähnliche Nicht-Entwicklung zeigt sich bei den Beschäftigungszahlen im Aluminiumsektor. Des Weiteren wurde auch die heimische Produktion durch die Zölle nicht angekurbelt: Zwischen März 2018 und Dezember 2019 gingen die Stahlproduktion um 6,1 Prozent und die Aluminiumproduktion um 3,7 Prozent zurück.
All diesen Zahlen zum Trotz will Trump weiterhin auf Zölle bauen.
Was ist sonst zu erwarten? Zunächst einmal ist da das Horror-Dokument namens Project 2025 der Heritage Foundation, die Blaupause für eine rechte Präsidentschaft und umgehende Veränderungen. Trump gibt vor, nichts von diesem Plan zu wissen, obwohl viele der Autorinnen und Autoren für ihn gearbeitet haben. Project 2025 ist ein überaus ambitioniertes reaktionäres Programm, angereichert mit christlichen und erzkonservativen Werten des 19. Jahrhunderts. Es strotzt nur so von Worten, die Konservative lieben, wie »Streamlining« oder »Flexibilität« (die Wörter kommen im Text je 43 Mal vor). Beides sind bekanntlich höfliche Umschreibungen dafür, dass Unternehmen machen können, was auch immer sie wollen.
Das Kapitel zum Arbeitsministerium und den entsprechenden Arbeitsschutz- und Regulierungsbehörden beginnt mit dem erklärten Ziel, »die Rolle jedes amerikanischen Arbeitnehmers als Protagonist in seinem eigenen Leben sowie die Familie als Mittelpunkt des amerikanischen Lebens wiederherzustellen«. Nur wenige Zeilen später wird in diesem Zuge auf die »jüdisch-christliche Tradition, die bis zur Genesis zurückreicht«, als Ideal verwiesen. Entsprechend soll die »übergriffige linke Agenda« in der Sozialpolitik, die das US-Arbeitsministerium derzeit angeblich verfolge, abgeschafft und die vermeintliche Überregulierung reduziert werden. Die ersten konkreten Maßnahmen wären eine »Umkehrung der DEI [Diversity, Equality, Inclusion] Revolution« sowie das Abschaffen von »Critical Race Theory-Schulungen«. Unverblümter kann man das Durchsetzen der eigenen Weltanschauung kaum fordern. Darüber hinaus sollten laut Plan Antidiskriminierungsvorschriften aufgehoben und die Regelungen für die Bezahlung von Überstunden gelockert werden – insbesondere im »Südosten«, also in den ehemaligen konföderierten Südstaaten. Mehr noch: Vorschriften zu Kinderarbeit sollten gelockert und »Alternativen zu Gewerkschaften« gefördert werden, da deren »politisches und streitlustiges Gebaren nur wenige anspricht«. Gewisse Dinge sollen freilich nicht dereguliert werden: Laut Project 2025 müssten Anstellungs- und Aufenthaltsregelungen für Gastarbeiter verschärft und darauf hingearbeitet werden, dass zukünftig bei Firmen, die bundesstaatliche Ausschreibungen für sich gewinnen, 95 Prozent der Beschäftigten US-Bürger sind.
In den folgenden Kapiteln wird eine aggressivere Handelspolitik vorgeschlagen – also erneut Zölle und andere Handelshemmnisse, insbesondere gegen China. Offenbar ist man bei den Autorinnen und Autoren der Ansicht, Trump habe sich beim letzten Mal einfach nicht genug angestrengt...
Peter Navarros Kapitel zum Thema Handel ist äußerst kämpferisch. Er ruft dazu auf, die »existenzielle Bedrohung durch Chinas Kommunistische Partei (KP) in ihrem Streben nach globaler Dominanz« zu bekämpfen (die Abkürzung KP taucht 41 Mal auf). Interessanterweise folgt auf Navarros Manifest jedoch eine Gegenmeinung: eine Verteidigung des Freihandels von Kent Lassman, Präsident des libertären Competitive Enterprise Institute. Lassman bezeichnet das frühere Zollexperiment von Trump als kostspieligen Fehlschlag, der die Verbündeten der USA verärgert und China entgegen den Intentionen nicht zu Zugeständnissen bewegt habe. Anstatt es zu wiederholen, solle die Handelspolitik reformiert werden, um sicherzustellen, dass ein solches Desaster nie wieder passiert. Diese konträren Einschätzungen zeigen, dass es offensichtlich einige Spannungen innerhalb der Trump-Unterstützerkoalition gibt.
»Der Börsencrash von 1929, gegen den die junge Fed damals so gut wie nichts unternahm, sollte auch fast ein Jahrhundert später eher Mahnung als inspirierendes Modell sein.«
Ansonsten wollen die Erschaffer von Project 2025 die Umweltschutzbehörde National Oceanic and Atmospheric Administration auflösen, weil sie das Herzstück der »Klimawandel-Alarmismus-Industrie« sei, den ihr angeschlossenen National Weather Service privatisieren und »die Aufgaben des Census Bureau an konservativen Prinzipien ausrichten«, wodurch die langjährige politische Unabhängigkeit der Statistikbehörde aufgehoben würde. Sie wollen das Finanzministerium von seiner »woken« Agenda loslösen (ohnehin scheint der Kampf gegen die Wokeness ein wichtiger Antriebsfaktor im gesamten Dokument zu sein). Sie wollen den »Steuerwettbewerb« anstatt eines »internationalen Steuerkartells« fördern. Das bedeutet nichts anderes, als dass internationale Bemühungen im Kampf gegen Steuerhinterziehung zunichte gemacht und Steuerschlupflöcher weiterhin nicht geschlossen werden. Ebenso sollen die Progressivität der US-Einkommensteuer verringert und die Körperschafts- und Kapitalertragssteuersätze gesenkt werden. Darüber hinaus soll für zukünftige Steuererhöhungen eine Dreiviertelmehrheit (»Super Majority«) im Kongress erforderlich sein. Außerdem sollen sich die Vereinigten Staaten auch aus dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank zurückziehen – natürlich nicht, weil diese Institutionen jahrzehntelang eine harsche Austeritätspolitik unterstützt und durchgesetzt hätten, sondern weil sie »den amerikanischen Grundsätzen des freien Marktes und der begrenzten Regierungsgewalt feindlich gegenüberstehen« und darüber hinaus auch noch »höhere Steuern und starke zentralisierte Regierungen« fördern würden. Menschen in Ländern, die die Schuldenkrise der 1980er Jahre in Lateinamerika oder die Eurokrise in den 2010ern am eigenen Leib erlebt haben, dürften sich bei solchen Äußerungen verwundert die Augen reiben.
Wenn wir uns noch tiefer in Project 2025 hineingraben, finden wir Vorschläge zur Überarbeitung des Finanzsystems, und zwar durch eine radikale Deregulierung (im Grunde genommen sollen die Banken tun können, was sie wollen), bei gleichzeitiger radikaler Verkleinerung der Federal Reserve. Das Kapitel über die Fed ist surreal. So wird kritisiert, dass es seit der Gründung der Zentralbank im Jahr 1913 alle fünf Jahre eine Rezession gab. Das ist auch korrekt. Was allerdings nicht erwähnt wird, ist, dass es zwischen 1854 (als die Statistiken erstmals offiziell erhoben wurden) und 1913 alle zwei Jahre eine Rezession gab und die Aufschwünge nur geringfügig länger dauerten als die Abschwünge. Im Gegensatz dazu dauerten die Aufschwünge ab 1913 viermal länger als die jeweiligen Rezessionen; seit 1945 sogar sechsmal länger.
Ja, die Fed war (ebenso wie der Rest der Regierung) extrem nachsichtig, wenn es darum ging, Finanziers oder Finanzinstitute zu retten, als diese in Schwierigkeiten gerieten. Die Antwort auf dieses Problem besteht aber darin, derartige Akteure streng zu regulieren und zu überwachen, statt zurück zum von Panik und heftigen Krisen geprägten System des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zurückzukehren. Der Börsencrash von 1929, gegen den die junge Fed damals so gut wie nichts unternahm, sollte auch fast ein Jahrhundert später eher Mahnung als inspirierendes Modell sein.
Weitere Hinweise darauf, wie Trumps zweite Amtszeit aussehen könnte, gibt das America First Policy Institute. Mehrere Medien beschreiben diese Plattform als »Trumps vorbereitetes Weißes Haus« inklusive geplanten Kabinetts, in dem unter anderem der bereits erwähnte Larry Kudlow als stellvertretender Vorsitzender fungieren soll. Ebenso finden sich einige Ex-Angestellte aus der ersten Trump-Regierung. Das Material auf der Website der Organisation ist jedoch wenig aussagekräftig und umfasst vor allem Meinungsbeiträge zu Wirtschaftsfragen aus so »seriösen« externen Quellen wie der Daily Mail und dem Daily Caller. Das vermeintliche Erfolgsrezept ab 2025 lässt sich leicht zusammenfassen: Fossile Brennstoffe fördern, deregulieren, Steuern senken, Ausgaben kürzen, Geld nur für handfeste Deals (sprich: nicht für so einen Firlefanz wie Klimapolitik oder DEI), keine Subventionen für Gewerkschaften sowie natürlich höhere Einfuhrzölle.
Besonders gern wird auf der Website beklagt, dass die Staatsverschuldung unter Joe Biden gestiegen ist. Das ist sie in der Tat, allerdings war sie unter Trumps Regierung deutlich heftiger gestiegen, was nicht zuletzt auf seine massiven Steuersenkungen 2017 zurückzuführen ist, durch die das Defizit um fast zwei Billionen Dollar in die Höhe schoss. Da Trump weitere Steuersenkungen fordert, ist schwer vorstellbar, wie die US-Verschuldung bei einer zweiten Amtszeit nicht weiter steigen könnte. Erreichbar wäre dies wohl nur durch drastische Ausgabenkürzungen, die sich in der Vergangenheit als politisch nicht durch- und umsetzbar erwiesen haben. Bei den eigenen finanzpolitischen Plänen macht man sich in Trumps Team aber offenbar wenig Sorgen über neue Schulden, denn diese dienen ja der Finanzierung von dringend notwendigen Steuersenkungen für die Top-Verdiener und nicht etwas so Unwichtigem wie Kindergeld.
»Mit Trump ist alles angerichtet für eine extravagante Tragödie in einem niedergehenden Imperium.«
Ein unberechenbarer Unsicherheitsfaktor könnte indes der designierte Vizepräsident J. D. Vance und dessen populistisches Auftreten sein. Ein Vizepräsident hat zwar nicht viel Macht, aber Trump ist inzwischen 78 Jahre alt und – wie es zumindest den Anschein hat – nicht in der besten körperlichen Verfassung. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass Vance ihm sogar innerhalb der Amtszeit nachfolgen könnte. Vance (dessen Aufstieg übrigens unterstützt wurde mit finanziellen Zuwendungen von Peter Thiel, dem Tech-Milliardär, laut dem die Demokratie am Ende) hat sich mehrfach als Stimme der Arbeiterinnen und Arbeiter dargestellt und ist einmal sogar an Streikposten aufgetaucht, wohinter aber kaum mehr als PR und persönliche Profilierung zu erkennen war. Trotz seines kurzen Streikposten-Cosplays erscheint Vance nicht sonderlich gewerkschaftsfreundlich und seine Forderung, die Macht der amerikanischen Arbeiterklasse zu stärken, besteht vor allem in seiner Unterstützung von Trumps Plan, die Grenzen zu schließen und zehn Millionen ausländische Arbeiter ohne Papiere abzuschieben.
Hier erreichen wir das Terrain der (fundierten) Spekulation. Es lässt sich mit Blick auf Trumps »Erfolgsbilanz« als Geschäftsmann weiterhin nur rätseln, wie viele seiner Pläne er tatsächlich umsetzen könnte. Seine erste Amtszeit war chaotisch: Er war schlichtweg nicht auf einen Wahlsieg vorbereitet und improvisierte sich durch seine Amtszeit hindurch. In seinem Kabinett gab es immense Fluktuation: diese war laut Brookings siebenmal so hoch wie bei Biden und fünfmal so hoch wie der Durchschnitt aller Amtszeiten von Ronald Reagan bis Barack Obama. Eine zweite Trump-Amtszeit könnte nun auf stabileren Fundamenten stehen – mit einer politischen Agenda, die sich an Blaupausen wie Project 2025 orientiert, und einem Stab, der sich aus erfahrenen rechten Technokraten und gestandenen Scharfmachern zusammensetzt.
Gegen die Theorie eines stabileren Führungsstils steht natürlich der Fakt, dass der Chef dieser nächsten Regierung Donald Trump hieße. Mit ihm ist alles angerichtet für eine extravagante Tragödie in einem niedergehenden Imperium.
Doug Henwood ist Redakteur bei Left Business Observer sowie Host des Podcasts Behind the News. Sein neuestes Buch trägt den Titel My Turn.