31. Mai 2025
Bei den jüngsten Präsidentschaftswahlen in Rumänien hätte beinahe ein rechtsextremer Außenseiter gesiegt. Er wurde letztendlich geschlagen, doch das ist nur ein Aufschub: praktisch alle Parteien im Land betrachten Ungleichheit, Armut und Austerität als unvermeidlich. Viel leichter kann man es den Rechten nicht machen.
George Simion gibt seine Stimme bei der Stichwahl um den Posten des rumänischen Staatspräsidenten ab in Bukarest, 18. Mai 2025.
Am 18. Mai siegte der parteiunabhängige Bürgermeister von Bukarest, Nicușor Dan, in der Stichwahl um den Posten des rumänischen Staatspräsidenten gegen den rechtsradikalen Kandidaten George Simion. Angesichts der drohenden Gefahr, ein rechter Extremist könnte Präsident werden, schlossen politische Parteien und die Zivilgesellschaft die Reihen und besiegten ihn letztlich in einem bis zum Schluss relativ knappen Kampf. Zumindest vorerst kann man in Europa aufatmen.
Doch die Wahlgewinner scheinen aus dieser Erfahrung nicht viel gelernt zu haben. Sie verstehen nach wie vor nicht, warum die Unterstützung für die radikale Rechte im Land von praktisch null im Jahr 2020 auf 46 Prozent 2025 gestiegen ist. Den Hintergrund bilden wachsende Ungleichheit in der Gesellschaft sowie hohe Armutsraten. Anstatt die Probleme anzugehen, plant das neoliberale Establishment Rumäniens nun die härtesten Austeritätsmaßnahmen seit der Finanzkrise 2008. Man muss sich fragen: Wie können die politischen Eliten so unglaublich blind gegenüber den Ursachen für den rechten Aufstieg sein?
Vor weniger als einem Jahrzehnt begann sich im Westen ein neuer Trend abzuzeichnen: Man sprach von einem Ende der Ideologie; wir lasen immer wieder, dass Politik nicht mehr durch »Links« und »Rechts« definiert sei, sondern vielmehr durch die Unterscheidung in »offene« und »geschlossene« Gesellschaften. Kultur- statt ökonomische Fragen wurden zur neuen Triebkraft der Politik: Kulturkrieg statt Klassenkampf.
Fakt ist aber: Die Wirtschaft und materielle Gesichtspunkte werden weiterhin politische Entscheidungen bestimmen, solange wir nicht die Utopie eines unendlichen Überflusses erreicht haben. Das postideologische Label »weder links noch rechts« bedeutet in der Praxis meist »ausschließlich rechts« und die Wahl zwischen unterschiedlichen Ausprägungen dessen. Die »extreme Mitte« ist eine andere Umschreibung für diese Entwicklung. Die Illusion einer »postideologischen Ära« stärkt nur die vorherrschende Ideologie, die Existenz jeglicher Alternativen wird negiert.
»Langfristig ist es Georgescus Ziel, die ohnehin schon schwache Demokratie Rumäniens durch ein nationalistisches Hybridregime zu ersetzen.«
Trotz der Behauptung des Establishments, dass wir die Links-Rechts-Spaltung überwunden haben, sind in einigen Fällen wie in Frankreich und Spanien neue linke Bewegungen entstanden, die eine Politik der Gleichheit und Solidarität wieder in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte gerückt haben. Andere Länder hatten jedoch nicht so viel Glück. In Rumänien werden alternative wirtschaftspolitische Konzepte überhaupt nicht mehr diskutiert. Stattdessen liefern sich die Politikerinnen und Politiker ein Race to the bottom: Man will zeigen, dass man selbst der wirtschaftsfreundlichste sowie steuerfeindlichste Kandidat ist.
In der rumänischen Politszene hat sich zu wichtigen Themen wie Wirtschafts- und Außenpolitik (mit der Ukraine als seltener Ausnahme) ein verstörender Konsens durchgesetzt. Die Politik wurde ihrer Kernfunktion – der Vertretung von Klasseninteressen – beraubt und zu einem reinen Popularitätswettbewerb und einem Kulturkampf, vor allem zwischen Neoliberalen und der radikalen Rechten, degradiert. In diesem Zusammenhang kann man Dans Sieg bei den Präsidentschaftswahlen lediglich als eine vorübergehende Atempause verstehen. Wenn der Wahlsieger tatsächlich beschließen sollte, den bisherigen Kurs des politischen Establishments fortzusetzen, dann ist der weitere Aufstieg der radikalen Rechten so gut wie sicher.
Im vergangenen November hatte der unabhängige Kandidat Călin Georgescu die erste Runde der Präsidentschaftswahlen in Rumänien gewonnen. Noch wenige Wochen vor den Wahlen war er ein völlig Unbekannter, doch dann schoss er kometengleich auf den ersten Platz (und behauptete, sein Sieg sei ein Zeichen Gottes).
Das Verfassungsgericht annullierte die Wahlen später wegen angeblicher verdeckter Intervention Russlands zu Georgescus Gunsten – ein durchaus plausibler, sogar wahrscheinlich richtiger Vorwurf, der jedoch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vollständig bewiesen war. Georgescu hatte in der Tat von einer gut organisierten Social-Media-Kampagne auf TikTok profitiert, bei der jemand offenbar genau wusste, wie man den Algorithmus manipulieren kann. Das ging so weit, dass Millionen von Menschen auf TikTok von seiner Kampagne angesprochen wurden, während sie von den Mainstream-Medien und staatlichen Institutionen praktisch unbemerkt blieb.
Es wurde nachgewiesen, dass Millionen Euro über Hintertürchen in diese Wahlkampagne flossen, während Georgescu offiziell null Ausgaben für seinen Wahlkampf angab. Nach der Entscheidung des Gerichts wurden weitere Berichte der Geheimdienste veröffentlicht, in denen diese festhalten, ein ausländischer Staat habe in die Wahlen eingegriffen. Viele kritisierten diese Berichte wegen ihrer Oberflächlichkeit, da sie lediglich zusammenfassen, was der Öffentlichkeit bereits bekannt war, und nicht aufzeigen, wie genau Russland beteiligt war und mit wem genau zusammengearbeitet wurde.
Zwar ist bekannt, dass Georgescu ein Bewunderer Russlands ist. Doch ebenso stellte sich später heraus, dass die beiden größten rumänischen Parteien ihn heimlich unterstützt hatten – in der Hoffnung, er würde Stimmen vom jeweils anderen Kandidaten stibitzen. Wie Georgescus erfolgreicher Wahlkampf gelang und wer ihm dabei half, ist bis heute nicht gänzlich aufgeklärt.
Wie dem auch sei: Oft wird vergessen, dass nicht ausschließlich TikTok die Georgescu-Wählerschaft mobilisiert hat. Keine Frage, einige haben ihn gerade wegen seines Ultranationalismus, seines religiösen Fanatismus und seiner offenen Bewunderung für Faschisten gewählt. Doch seine Wirtschaftspolitik sollte nicht außer Acht gelassen werden: Georgescu versprach, landwirtschaftliche Flächen zu verstaatlichen und neu zu verteilen, die natürlichen Ressourcen wieder in die Hände der rumänischen Bevölkerung zu geben und eine »souverän-distributive« Wirtschaft zu fördern. Er kritisierte sogar offen Großkonzerne und warf ihnen Ausbeutung vor – etwas Unvorstellbares in einem System, in dem Kandidaten bei Wahlen nicht selten Entrepreneure zu Nationalhelden erklären.
Nun ist es allerdings nicht so, dass der lateinamerikanische Linkspopulismus Rumänien erreicht hätte. Wie andere in der Vergangenheit kritisiert Georgescu den Kapitalismus und die Konzerne aus einer nationalistischen Perspektive heraus – und nicht etwa aus Solidarität mit der Arbeiterklasse. Bei seinen Visionen handelt es sich vielmehr um eine kleinbürgerliche Utopie, die heimische und/oder lokale Kapitalisten mit niedrigen Steuern begünstigt und gleichzeitig Beschäftigte im öffentlichen Dienst feuern will, um den Haushalt zu sanieren. Georgescu macht deutlich, dass die zukünftige Umverteilung »nicht auf einem sozialistischen Modell basieren wird« und dass es auch keinen »Nanny-Staat« geben soll. In der Außenpolitik entfernt er sich in gewisser Weise vom EU-Standard, propagiert aber eine fortgesetzte Unterwürfigkeit gegenüber der Trump-Regierung in den USA.
»Es war in dieser Hinsicht egal, welcher Kandidat gewinnt, denn es gibt scheinbar keine Alternative zur Austerität.«
Ein Großteil seines Erfolgs ist der einfachen Tatsache zu verdanken, dass Georgescu soziale Themen anspricht, die sonst ignoriert werden. Wenn die Menschen das Gefühl haben, vom Establishment im Stich gelassen zu werden, ist es immer wieder die radikale Rechte, die die Früchte des Zorns erntet. Dieses Modell hat sich für sie weltweit bewährt. Nostalgie nach der Stabilität des früheren sozialistischen Regimes, die Rückkehr zu einem idyllischen Dorfleben und eine tiefergehende Beziehung zur Natur fand bei entfremdeten Wählerinnen und Wählern in Rumänien und auch bei den Millionen rumänischen Bürgern in der Diaspora Anklang. Das hätte ein Weckruf für die etablierten Parteien sein müssen, wurde von diesen aber völlig falsch interpretiert.
Langfristig ist es Georgescus Ziel, die ohnehin schon schwache Demokratie Rumäniens durch ein nationalistisches Hybridregime zu ersetzen. Er hatte angekündigt, nach seiner Machtübernahme werde es keine politischen Parteien mehr geben, und zeigte sich gerne umgeben von Söldnern und offen faschistischen Anhängern.
Georgescu hat zeitgleich jedoch erkannt, dass er auch die »Mächtigen« für sich gewinnen oder zumindest deren Widerstand vermeiden muss. Das bedeutete, Beziehungen zum lokalen Kapital, zu den Geheimdiensten und auch zu Washington aufzubauen, die alle einen erheblichen Einfluss auf die Politik Rumäniens haben. Georgescus revolutionärer Habitus und die Ankündigung vermeintlich radikaler Veränderungen erwiesen sich diesen Instanzen gegenüber als nichts weiter als heiße Luft.
Denn an sich stand und steht Georgescu für nichts revolutionär Neues: Er verspricht Steuersenkungen, umgibt sich mit ehemaligen hochrangigen Armee- und Geheimdienstoffizieren und erklärte sich schnellstmöglich zum überzeugten Anhänger Donald Trumps. In mehrfacher Hinsicht folgt er somit den Pfaden des Establishments. Um Giuseppe Tomasi di Lampedusas Satz aus Der Leopard umzudrehen: »Wenn wir wollen, dass sich die Dinge ändern, muss alles so bleiben, wie es ist.« Um die Demokratie zu untergraben und die Strategie in Sachen Russland und Ukraine zu ändern, muss man wichtige Teile des Establishments unbedingt bei Laune halten.
Georgescus Kandidatur, auch wenn sie letztlich scheiterte, hat die radikale Rechte mobilisiert und eine beträchtliche Menge an Wählerinnen und Wählern radikalisiert. Kampferprobte rumänische Söldner, die aus afrikanischen Ländern mit einem Arsenal an Waffen in ihre Heimat zurückkehren, Teenager, die sichextremistischen Untergrundorganisationen anschließen, öffentliche Gedenkzeremonien an den Gräbern von Faschisten – solche Nachrichten dominieren seit Georgescus Kandidatur die Medien.
In einem für die rumänische Gesellschaft so kritischen Moment könnte man nun erwarten, dass die etablierten Parteien ernsthaft über eine Neuverhandlung des Gesellschaftsvertrags nachdenken. In einem geradezu grotesken Moment war ein Präsidentschaftskandidat bei dieser Frage der Ansicht, damit sei die Unterzeichnung eines tatsächlichen, handfesten »Vertrags« gemeint. Es war wie ein Meme, das recht deutlich zeigt, wie realitätsfern die etablierten Kräfte im Land offenbar sind.
Einige Mainstream-Parteien sehen nun ihr Heil darin, den eigenen Rechtspopulismus und die eigenen neoliberale Vorhaben noch zu verschärfen. In der Hoffnung, mit einer Kopie von Georgescus Politik Wähler zurückzugewinnen, verschieben sie das politische Spektrum weiter nach rechts.
Crin Antonescu, der Präsidentschaftskandidat der amtierenden Regierungskoalition, der bei den Wahlen den dritten Platz belegte, ist ein gutes Beispiel für diesen Wandel. Nach der Wahl erklärte er, Rumänien werde von »globalistischen« und neomarxistischen Kräften bedroht, und die traditionellen konservativen Parteien hätten kampflos aufgegeben. Weil sie eben nicht konservativ genug gewesen seien, habe die radikale Rechte die Unzufriedenheit der Bevölkerung zu ihrem Vorteil nutzen können. Die Botschaft ist klar: Wenn man als Konservativer gewinnen will, muss man (noch) rechtsradikaler werden.
Diese Strategie wurde schon in westlichen Ländern erprobt, mit dem gleichen Ergebnis: Normalisierung und Stärkung rechtsextremer Kandidaten. Die Frage bleibt: Warum sollte man für eine verwässerte Kopie stimmen, wenn man auch das rechtsradikale Original wählen kann?
Das soll nicht heißen, dass die radikale Rechte und die sogenannten Zentristen genau dasselbe sind. Dennoch ist es beunruhigend zu sehen, wie viele Standpunkte sie inzwischen teilen. Beispiel Wirtschaft: Rumänien hat ein akutes Problem mit seinem Haushaltsdefizit, das im vergangenen Jahr neun Prozent des BIP betrug. Dieses Jahr könnte es noch dicker kommen. Auf die Frage, wie sie das Problem lösen wollen, waren sich alle Kandidaten einig: Auf jeden Fall keine Steuererhöhungen!
Nur der angedachte Vorschlag, Reiche oder Kapital zu besteuern, gilt als Blasphemie. Stattdessen haben sich alle Kandidaten und Parteien dazu verpflichtet, Ausgaben zu kürzen, die Steuererhebung zu verbessern und Beschäftigte im öffentlichen Dienst zu entlassen. Sie sind sich alle einig, dass der Staat aufgeblasen ist, die Steuern zu hoch, freie Märkte die Lösung und Unternehmer, wie bereits gesagt, Nationalhelden. In Wirklichkeit zählen die in Rumänien geltenden Steuern für Reiche und Kapital im EU-Vergleich zu den niedrigsten.
Auch der neugewählte Präsident ließ es sich in seiner Siegesrede nicht nehmen, vor den anstehenden schwierigen Zeiten zu warnen. Diese seien aber notwendig, um die Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Seine vielen Worte über die wirtschaftspolitische Marschrichtung hätte man auch in einem zusammenfassen können: Austerität.
»Selbst wenn die Trump-Regierung Maßnahmen gegen die Interessen Rumäniens ergreift, verteidigt George Simion ihre Entscheidungen als rational und gerecht.«
Andererseits: Es war in dieser Hinsicht egal, welcher Kandidat gewinnt, denn es gibt scheinbar keine Alternative zur Austerität. Genauso gibt es auch keine politische Partei mit einem ernsthaften Plan, wie man den Einfluss der Geheimdienste auf Politik, Wirtschaft und Justiz bekämpfen könnte. Viele behaupten, gegen »das System« zu kämpfen – die gesamte Gesellschaft spricht von »dem System« – aber was dieses »System« wirklich ist, bleibt eher vage. Es ist der perfekte politische Sündenbock.
Außenpolitisch waren und sind sich derweil alle Kandidaten einig, dass die strategische Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten fortgeführt werden muss. Egal, ob J. D. Vance und Elon Musk offen ihre Unterstützung für den Rechtsradikalen Georgescu bekunden oder die USA mit der Annexion von Gebieten Dänemarks drohen – kein hochrangiger rumänischer Politiker hat es bisher gewagt, sich kritisch zu Aktionen aus den USA zu äußern. Obwohl die Trump-Regierung gerade die Gewaltenteilung demontiert, bekräftigen alle rumänischen Führungspersönlichkeiten ihre Loyalität zur strategischen Partnerschaft mit den USA.
Allerdings gibt es gewisse Unterschiede zwischen den beiden Blöcken: Die traditionell-neoliberalen Parteien neigen eher zu engen EU-Beziehungen und einer koordinierten Reaktion auf Trumps aggressive Politik. Paradoxerweise sind es gerade die sogenannten »Souveränisten« aus der radikalen Rechten, die eine deutlich unterwürfigere Haltung gegenüber den USA an den Tag legen.
In Simions Vision ist die westliche Welt »die freie Welt unter amerikanischer Flagge«. Selbst wenn die Trump-Regierung Maßnahmen gegen die Interessen Rumäniens ergreift – indem sie beispielsweise Zölle verhängt und das Land aus dem Visa-Waiver-Programm nimmt – verteidigt George Simion ihre Entscheidungen als rational und gerecht. Georgescu – der selbsternannte Verfechter des rumänischen Souveränismus – forderte Trump auf, in die inneren Angelegenheiten Rumäniens einzugreifen, um die hiesige Demokratie zu retten. Gleichzeitig zeigt die radikale Rechte eine feindseligere Haltung gegenüber der Ukraine und größere Nachsicht gegenüber Russland.
Georgescu ist aus dem Präsidentschaftsrennen ausgeschlossen worden, doch seine Ideen dominieren nun die politische Landschaft. Die etablierten Parteien sehen in ihm ebenso ein Modell für den Wahlsieg wie auch eine Gefahr. In Frankreich hat Emmanuel Macron schon Ähnliches versucht, indem er die Agenda der radikalen Rechten in sein eigenes Programm übernommen hat. Entgegen seinem Kalkül hat dies Marine Le Pen nicht geschwächt, sondern ihrer Partei vielmehr zu mehr Akzeptanz und Einfluss verholfen.
Derweil mögen Politikerinnen und Politiker in Rumänien, die sich weigern, Georgescu nachzueifern, bewundernswert, aber eben auch ratlos erscheinen, wie sie mit der aktuellen Situation umgehen sollen. Die Tatsache, dass Zeiten ökonomischer Misere den Aufstieg der radikalen Rechten begünstigen, ist eine historische Lektion, die viele offenbar immer noch nicht gelernt haben. Wenn sie immerhin die Ursache für die Unzufriedenheit der Bevölkerung im bestehenden Status quo sehen, dann reicht ihr Rezept für einen Wandel trotzdem nicht darüber hinaus, »ehrliche Menschen« in öffentliche Ämter zu bringen und die »Korrupten« abzustrafen.
»Solange die politischen Parteien von den Reichen gekauft sind, werden sie lieber alles an die Faschisten verlieren, als einen Teil ihrer Macht an die arbeitende Bevölkerung abzugeben.«
Es ist, als steckten wir immer noch in Francis Fukuyamas »Ende der Geschichte« fest, in der alle ökonomischen Probleme eigentlich ad acta gelegt werden können und wir nur noch die richtigen Leute brauchen, um die kapitalistische Maschine zu optimieren und zu perfektionieren.
In Rumänien scheint eine Ära der Post-Politik angebrochen – heißt dies, dass die Politik tot ist, dass wir irgendwie am Ende eines Weges angelangt sind und sich nichts mehr ändern wird? Nein, die Politik ist sehr lebendig, und der Kampf um die Zerstörung oder den Erhalt dessen, was von der Demokratie noch übrig ist, wird in den kommenden Jahren nur noch härter werden. Der Sieg des etwas gemäßigter rechten Kandidaten mag uns in Rumänien ein paar wichtige Jahre Zeit verschafft haben, um uns neu zu formieren. Aber die Austeritätspolitik, die in den kommenden Jahren umgesetzt werden soll, dürfte der radikalen Rechten weiteren Auftrieb geben. Wenn keine Gegenbewegung von links kommt, werden die Rechten diese Chance nutzen. Bis zu den nächsten Parlaments- und Kommunalwahlen 2028 bleibt nicht viel Zeit, um eine Alternative aufzubauen.
Die Entwicklung hin zum neoliberalen Konsens begann in den 1980er Jahren, doch heute sehen wir, wie dieser versucht, die Demokratie an sich zu verschlingen. Das ist kein sporadisches oder isoliertes Phänomen in Rumänien, sondern ein internationales. Polen durchläuft bei seinen Präsidentschaftswahlen einen nahezu identischen Prozess. Während es in gewissen westlichen Ländern noch einige wenige, wenn auch angeschlagene linke Hochburgen geben mag, ist in Osteuropa die Linke fast vollständig von der Landkarte getilgt.
Die heutige Post-Politik ist kein Resultat der Fukuyama-Utopie, sondern eine Stimmungslage: Das Gefühl, dass die Welt unweigerlich in Klimakatastrophe und Faschismus abdriftet; das Gefühl, dass, selbst wenn wir für das kleinere Übel stimmen, dies eher ein Aufschub als ein wirklich anderer Weg ist. Diese Art von Untergangsstimmung scheint immer mehr zum Mainstream zu werden.
Solange die politischen Parteien von den Reichen gekauft sind, werden sie lieber alles an die Faschisten verlieren, als einen Teil ihrer Macht an die arbeitende Bevölkerung abzugeben. Wenn wir das verhindern wollen, müssen wir die Politik zurück ins öffentliche, alltägliche Leben bringen und die wirklich wichtigen Themen wieder in den Mittelpunkt der Debatte rücken.
Der erste Schritt, eine bessere Welt zu schaffen, ist es, sie sich überhaupt erst wieder vorstellen zu können.
Andrei-Constantin Gudu ist freiberuflicher Journalist in Rumänien. Er beschäftigt sich mit den Themen Wirtschaft, Soziales und Arbeit.