01. Februar 2025
Donald Trump hat die Gelder für die US-Entwicklungszusammenarbeit eingefroren und damit in der gesamten außenpolitischen Elite für Aufregung gesorgt. Kein Wunder – schließlich ist die Entwicklungshilfe ein wirksames Mittel zur Förderung der geopolitischen Interessen Amerikas und Europas.
Donald Trump im Oval Office des Weißen Hauses in Washington, DC am Donnerstag, 30. Januar 2025.
Die neue US-Regierung unter Donald Trump hat mit ihrer Ankündigung, die Ausgaben für die Auslandszusammenarbeit in Höhe von etwa 68 Milliarden US-Dollar pro Jahr auszusetzen, weltweit für Furore gesorgt. Trumps Entscheidung betrifft nicht nur die militärische Unterstützung, die einen großen Teil der Gesamtsumme ausmacht, sondern auch die Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit, Menschenrechtskampagnen und Initiativen zur Unterstützung demokratischer Institutionen (auch wenn die USA dazu neigen, diese erklärten entwicklungspolitischen Ziele durch ihre sonstige Außenpolitik zu untergraben). Die Regierungsanordnung sorgte in der Presse umgehend für Besorgnis, dass die Vereinigten Staaten ihre Pflichten gegenüber der Ukraine im Krieg gegen Russland vernachlässigen sowie zahlreiche humanitäre Missionen in Entwicklungsländern aufgeben könnten.
Diese Reaktion bestätigt eine ebenso lange bestehende wie falsche Vorstellung: Nämlich, dass humanitäre und entwicklungspolitische Maßnahmen des Westens unabhängig von den weiter gefassten, offen aggressiven geopolitischen und imperialistischen Interessen dieser Nationen getätigt werden. In diesem Sinne sollte die Ankündigung von Präsident Trump nicht als Angriff auf die »irgendwie nettere« Seite der US-Außenpolitik gesehen werden, sondern als eine Aktion, mit der die nach außen präsentierte Haltung besser an den tatsächlichen Inhalt der amerikanischen Außenpolitik angepasst wird. Trumps Maßnahme offenbart damit den wahren Zweck der sogenannten Auslandshilfe, nämlich den Interessen der herrschenden Klasse der USA zu dienen. Konkret heißt es nun: Kein Zuckerbrot, nur noch Peitsche.
Neben den offenkundigen Formen der Machtausübung – militärische Interventionen, Aneignung von Territorien, direkte politische Einmischung – haben westliche Mächte parallele Formen der Intervention und Kontrolle entwickelt. Diese werden manchmal als informeller Imperialismus bezeichnet. In den vergangenen Jahrzehnten haben eine Verfeinerung und Perfektionierung dieser subtileren Herrschaftsinstrumente ältere Formen teilweise verdrängt. Aufgrund ihrer geografischen Nähe zu den USA waren Lateinamerika und die Karibik wichtige Experimentierfelder für diese Praktiken.
Historisch gesehen beinhalteten die Maßnahmen die Förderung einer US-amerikanischen Ideologie und Kultur durch christliche Missionen oder Hollywood-Blockbuster (die wohl softeste Art des »soften Imperialismus«), die Kontrolle von Regierungen durch verdeckte Finanzierung oppositioneller politischer Parteien oder Präsidentschaftskandidaten sowie Wirtschaftssanktionen. Darüber hinaus gab es eine zunehmende lateinamerikanische Abhängigkeit von Entwicklungshilfeprogrammen, welche auf das Entstehen sogenannter multilateraler Hilfsinitiativen unter Führung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds Mitte des 20. Jahrhunderts zurückzuführen ist. Diese Organisationen und ihre Initiativen wurden später dazu genutzt, Nationen im Globalen Süden zur Übernahme neoliberaler Politik zu zwingen, was wiederum ihre Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten und Europa verstärkte.
Mit dieser Form des Imperialismus wurde die sogenannte Zivilgesellschaft — meist in Form von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) — in den benachteiligten Regionen zu einem wichtigen Player. Dazu zählen Gruppen, die sich mit Armut und Ungleichheit, Menschenrechten und zunehmend auch mit der ökologischen Krise befassen. Ihre humanitären Interventionen kamen jedoch oft Hand in Hand mit neoliberalen Reformen oder legitimierten diese.
»Die moderne Praxis eines ›informellen Imperialismus‹ ist zur bevorzugten Form geworden, um neue Märkte zu erschließen und günstige Bedingungen für westliche Investitionen im Globalen Süden zu sichern.«
Ausschlaggebend für das zunehmende Aufkommen solcher Organisationen waren westliche Entwicklungsbehörden und -agenturen, insbesondere die US Agency for International Development (USAID), die Weltbank und etwas später auch die zahlreichen Entwicklungsprogramme der Europäischen Union. Letztere nutzt die Region Lateinamerika seit Ende der 1990er Jahre als Testfeld für ihren außenpolitischen Ansatz einer »Zivilmacht«.
Diese westlichen Entwicklungs- und humanitären Programme sind nicht nur grundsätzlich nicht in der Lage, die schweren sozialen und ökologischen Krisen in Regionen wie Lateinamerika und der Karibik zu bewältigen, sondern sie haben auch dazu beigetragen, genau diejenigen Strukturen zu stärken, die diese Probleme fortbestehen lassen. Fast ein Jahrhundert nach Einführung dieses Interventionsmodells herrschen die historischen Bedingungen von Armut, Ungleichheit, Ausbeutung und Unterdrückung – also genau die Probleme, die diese Programme eigentlich lösen sollen – immer noch vor, und das, obwohl neue Märkte aufgetan wurden.
Wie beim Neoliberalismus selbst lassen sich die Ursprünge dieser Entwicklung in Chile beobachten. Der von den USA unterstützte Militärputsch, mit dem 1973 die sozialistische Regierung Chiles gestürzt wurde, war der Höhepunkt einer umfassenderen ausländischen Intervention, die schon Jahre zuvor begonnen hatte. Tausende Dokumente, die von der US-Regierung in den Jahren 1999 und 2000 freigegeben wurden, belegen die damalige Beteiligung der CIA. Der US-amerikanische Wirtschaftskrieg und der Militärputsch waren die Höhepunkte einer breit angelegten Kampagne, die bis in die frühen 1960er Jahre zurückreicht und die darauf abzielte, die chilenischen Sozialisten von der Macht fernzuhalten. Dabei wurde insbesondere auf die Finanzierung und Beeinflussung zivilgesellschaftlicher Gruppen wie Gewerkschaften, religiöse Vereinigungen und Frauenorganisationen gesetzt.
Mit der Einsetzung von Augusto Pinochet als Diktator wurde Chile nicht nur zu einem Versuchslabor für neoliberale Politik, sondern auch zu einem wichtigen Standort für den Einsatz und die Weiterentwicklung von westlichen NGOs, insbesondere im Bereich der Menschenrechte. Mit anderen Worten: Während die Vereinigten Staaten und Europa die Diktatur und die brutale Unterdrückung der chilenischen Bevölkerung unterstützten, spielten sie gleichzeitig eine Rolle bei der teilweisen Entschärfung der Situation, indem sie Menschenrechtsorganisationen finanzierten. Diese NGOs übten recht unterschiedliche Tätigkeiten aus, von Kritik an den Übergriffen der Diktatur bis hin zum Bereitstellen von Mahlzeiten für verarmte Familien.
»Obwohl die Unterstützungsarbeit der EU, USAID und anderer Entwicklungsagenturen parallel zu gewalttätigen, militaristischen Formen der Intervention vonstattenging, wurde sie mit relativ wenig Kritik oder Widerstand durchgeführt.«
Wie James Petras in seiner ausführlichen Analyse zu diesem Thema hervorhebt, fielen Zunahme und Wachstum der vom Westen unterstützten NGOs in Lateinamerika und der Karibik zusammen mit der Operation Condor – einer regelrechten Terrorkampagne gegen linke Persönlichkeiten und Bewegungen – sowie der Einsetzung von US-gestützten Regimen ab den 1970er Jahren. Die NGOs spielten eine Doppelrolle, da sie oberflächlich einige der offensichtlichen Folgen des neuen repressiven Regimes und ihrer sofort umgesetzten neoliberalen Wirtschaftspolitik abmilderten, gleichzeitig aber auch radikalere politische und soziale Bewegungen neutralisierten. Mit den ihnen zur Verfügung stehenden enormen Ressourcen gelang es den NGOs, solche Bewegungen und ihre jeweiligen Anführer entweder an sich zu binden oder sie zu schwächen.
Dank der umfangreichen Finanzmittel von multilateralen Organisationen wie der Weltbank seit den 1980er Jahren und insbesondere von USAID und europäischen Entwicklungsprogrammen seit der Jahrtausendwende haben sich diese zivilgesellschaftlichen Gruppen in der gesamten Region reproduziert und vermehrt. Sie sind zu einem entscheidenden Tool der westlichen Außenpolitik geworden.
In den 1990er Jahren waren nach der Operation Condor die linken Bewegungen in der Region geschwächt und gleichzeitig verwandelten sich viele vormalige Diktaturen in Wahldemokratien. Dementsprechend verlagerte sich der Fokus des Westens in Lateinamerika von NGOs, die sich mit Menschenrechtsverletzungen befassten, hin zu solchen, die sich für Demokratie und wirtschaftliche Entwicklung einsetzten, wobei ersteres zunehmend in letzteres integriert wurde.
USAID ist seit ihrer Gründung in den frühen 1960er Jahren in der Region tätig und übernahm in den 1990er Jahren verstärkt die Rolle als das »nettere Gesicht« des US-Interventionismus. Die Agentur investierte Hunderte Millionen Dollar für NGO-Initiativen und staatlich geführte »Demokratieprogramme« in Haiti , finanzierte Mikroentwicklungsprojekte im ländlichen Paraguay (um die dortigen Bäuerinnen und Bauern davon abzuhalten, aufständische Gruppen zu unterstützen) und begegnete der schnell wachsenden sozialistischen Bewegung in Bolivien mit einer millionenschweren Kampagne zur Demokratieförderung.
Dieser vielschichtige Ansatz zur Aufrechterhaltung der US-Hegemonie in der Region wurde mit der Zeit von anderen westlichen Mächten nachgeahmt und in einigen Fällen sogar von ihnen überholt. So begann die Europäische Union ab den frühen 2000er Jahren, ihren neuen »zivilen« Ansatz in der Außenpolitik im krisengeschüttelten Kolumbien zu testen. Während sich der von den USA unterstützte Plan Colombia als eine aggressive Aufstandsbekämpfungspolitik im Zuge des inneramerikanischen »War on Drugs« verstehen lässt, schlug Brüssel einen alternativen Ansatz vor.
So wurden die zwischen 2002 und 2012 mit zig Millionen Euro finanzierten sogenannten EU Peace Laboratories in Kolumbien parallel zu einem Programm zur Aufstandsbekämpfung umgesetzt. Dies trug zur Schwächung revolutionärer linker Bewegungen und ihrer sozialen Basis bei, unter anderem durch die Finanzierung von weiteren Mikrokreditprojekten, mit denen die Bauernschaft in Konfliktgebieten an die Agrar-Exportindustrie gebunden wurden. Wie die Campaign Against Arms Trade darlegt, beteiligten sich EU-Mitgliedstaaten wie das Vereinigte Königreich (damals noch Teil der EU) und Spanien außerdem direkt an den von den USA unterstützten militaristischen Bemühungen zur Unterwerfung großer Teile der Bevölkerung, während zeitgleich »Peacebuilding«-Projekte vorangetrieben wurden.
»Für den Rest von uns bieten die aktuellen Entwicklungen die Möglichkeit, sich auf diese Interessen zu konzentrieren und darauf, wie sie von den unterschiedlichsten Regierungen und politischen Akteuren gefördert wurden und nach wie vor gefördert werden.«
In der Praxis bedeutete das: Während die USA massive Militärhilfe in Kolumbien leisteten, überholte die EU sie Anfang der 2000er Jahre als Hauptgeber von Entwicklungsgeldern in Lateinamerika und der Karibik. Diese Entwicklungsinvestitionen gingen mit einer Intensivierung des Handels zwischen Lateinamerika und Europa einher. Heute kommt der EU-Lateinamerika-Handel dem Volumen der Wirtschaftsbeziehungen zu den USA nahe. Erleichtert wurde dies durch mehrere Freihandelsabkommen zwischen der EU und Lateinamerika, die allesamt gewisse »Werte-Klauseln« und Bedingungen enthalten.
Obwohl die Unterstützungsarbeit der EU, USAID und anderer Entwicklungsagenturen parallel zu gewalttätigen, militaristischen Formen der Intervention vonstattenging, wurde sie mit relativ wenig Kritik oder Widerstand durchgeführt. Dies ist vor allem auf die weitverbreitete Annahme zurückzuführen, dass Projekte derartiger Organisationen von Natur aus wohlwollend und eine Kraft für das Gute sind.
Bis heute setzt sich dies fort; weiterhin werden Millionen Dollar für die Region von USAID eingesetzt, zuletzt unter dem Deckmantel der Hilfe für venezolanische Migranten. Ähnliches gilt für die Jahr für Jahr gewährten Darlehen der Weltbank, die sich auf mehrere -zig Milliarden für vermeintlich »nachhaltige« Entwicklungsprogramme belaufen, oder für den jährlichen Beitrag der EU für humanitäre Hilfe in Höhe von 100 Millionen Euro. Letzterer wird freilich von den etwa 300 Milliarden Euro an Waren, die jährlich zwischen der EU und Lateinamerika gehandelt werden, in den Schatten gestellt.
Die moderne Praxis eines »informellen Imperialismus« ist zur bevorzugten Form geworden, um neue Märkte zu erschließen und günstige Bedingungen für westliche Investitionen im Globalen Süden zu sichern. In diesem Sinne können die Entwicklungs- und NGO-Projekte in Lateinamerika und der Karibik größtenteils als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden.
Wie dauerhaft die von der Trump-Regierung verhängte Aussetzung der Hilfsgelder sein wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls dürften solche Veränderungen in der Außenpolitik auf erheblichen Widerstand sowohl bei staatlichen Akteuren als auch beim Kapital stoßen. Schließlich hat sich diese »Soft Power« als überaus wirksames Instrument zur Förderung imperialer Interessen und den Interessen der herrschenden Klasse erwiesen. Für den Rest von uns bieten die aktuellen Entwicklungen die Möglichkeit, sich auf diese Interessen zu konzentrieren und darauf, wie sie von den unterschiedlichsten Regierungen und politischen Akteuren gefördert wurden und nach wie vor gefördert werden.
Das bedeutet auch, die Illusion einer freundlich-wohltätigen amerikanischen und europäischen Außenpolitik zu beseitigen. Es muss Kritik geben an der Verachtung der Herrschenden für die unterdrückte Mehrheit der Menschen auf dieser Welt – nicht nur, wenn diese Verachtung offen gezeigt wird, sondern auch, wenn sie sorgfältig hinter der Fassade einer vermeintlich humanitären Gutherzigkeit versteckt wird.
Carlos Cruz Mosquera ist Doktorand und Lehrassistent an der Queen Mary University of London.